© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/16 / 10. Juni 2016

Dirigent der Finanzmärkte
Die Wirtschaftsjournalistin Heike Buchter über den New Yorker Vermögensverwalter BlackRock
Michael Wiesberg

Anfang Januar sorgte die Meldung für Aufsehen, daß Friedrich Merz, der einstige Hoffnungsträger der CDU und seit 2006 des einflußreichen transatlantischen Netzwerks „Atlantik-Brücke“, Chef des deutschen Aufsichtsrats von BlackRock, des größten Vermögensverwalters der Welt, werden soll. Viele gehen davon aus, daß Merz, mittlerweile in Diensten des US-Finanzgiganten stehend, gezielt ausgewählt wurde, um als „Türöffner“ aktiv zu werden. 

Seine Kontakte aus dem „Atlantik-Brücke“-Netzwerk würden Merz helfen, jene „weitergefaßte Beraterrolle“ einzunehmen, mit der er „die Beziehungen mit wesentlichen Kunden, Regulierern und Regierungsbehörden in Deutschland für BlackRock fördern“ soll, wie es sich das Unternehmen erhofft. Es sind Personalentscheidungen wie diese, die mit dazu beigetragen haben, daß BlackRock zu einem knapp fünf Billionen Dollar schweren Finanztitanen und dessen Chef, Larry Fink – der das Charisma eines Verwaltungsbeamten versprühen soll –, zum mächtigsten Akteur der Finanzwelt aufsteigen konnten. 

Die Finanzexpertin und Wirtschaftsjournalistin Heike Buchter hat diesen Weg zum weltumspannenden Machtfaktor nachgezeichnet. Nichts deutete zunächst auf eine derart steile Erfolgsgeschichte hin, war Finks Ruf – der ursprünglich als Trader der Investmentbank First Boston beschäftigt war – durch falsche Zinsvorhersagen, die einen Verlust von 100 Millionen Dollar verursachten, doch mehr als angeschlagen. Fink geriet dadurch bei First Boston aufs „Abstellgleis“, bekam aber 1988 eine neue Chance, als sich eine Investmentfirma namens Blackstone bei ihm meldete. Blackstone wollte neue Geschäftszweige erschließen und verfiel dabei auf Larry Fink. Er sollte für die Private-Equity-Gesellschaft das Geschäft mit Anleihen und Wertpapieren aufbauen. 1992 trennten sich Fink und ein paar Mitstreiter und gründeten unter dem Namen BlackRock ein Vermögensverwaltungsunternehmen, das sie 1999 an die Börse brachten. 

Ein Treibsatz für den dann folgenden beispiellosen Aufstieg war die eher schlicht anmutende Idee Finks, Finanzprodukte für Anleger auf ihre Risiken hin abklopfen zu lassen. Diese Idee war eine der Lehren, die Fink aus seiner millionenschweren Fehlspekulation zog. Das brachte BlackRock rasch ins Geschäft, das mit Ausbruch der Finanzkrise 2008 regelrecht explodieren sollte. Ein Grund hierfür liegt in dem Umstand begründet, daß Fink zu den Erfindern der Kreditverbriefungen gehört, womit die Bündelungen von Klein- und Großkrediten zu einem handelbaren Wertpapier gemeint sind. 

Diese Kreditverbriefungen, die der Wall Street zunächst Traumgewinne bescherten, trugen ursächlich zum Ausbruch der Finanzkrise bei, weil kaum jemand in der Lage war, zu überblicken, was genau er da in seinem Portfolio hatte. Großbanken, Fondsmanager und selbst der damalige Chef der New Yorker Notenbank, Timothy Geithner, meldeten sich bei Fink, dessen Analysten zu gefragten Leuten wurden. 

Es geht demnach nicht zu weit, wenn Kritiker BlackRock als Krisengewinner bezeichnen. Buchter bringt dies auch unmißverständlich zum Ausdruck: „Der Aufstieg von Fink & Co. ist so eng mit den Finanzkrisen in den USA und in Europa und ihren anhaltenden Folgen verwoben, daß ohne sie die Macht und Bedeutung von BlackRock kaum denkbar ist.“ Spätestens mit Ausbruch der Finanzkrise schlug die Stunde der elektronischen Wunderwaffe Aladdin. Aladdin dient auch als der Grund dafür, daß weltweit Pensionskassen, Staatsfonds, Stiftungen und Versicherer dem New Yorker Vermögensverwalter ihre Milliarden anvertrauen. Aladdin ist ein gigantisches Datenanalysesystem, das von einem Heer von Analysten gefüttert und ausgewertet wird und aus etwa 5.000 Großrechnern besteht, verteilt auf vier Rechenzentren, die 200 Millionen Kalkulationen pro Woche ausführen. Die Standorte dieser Rechenzentren sind geheim. 

Neuer Großeigentümer der Deutschland AG

Rob Goldstein, einer der Pioniere von BlackRock und von Buchter als „Hüter von Aladdin“ charakterisiert, hat dessen Aufgabe anschaulich in folgende Worte gebracht: „Es ist eine Art Kernspintomograph für die Anlageportfolios von institutionellen Investoren.“ Der Erfolg von Aladdin führte zum nächsten Schritt: BlackRock bot bald nicht mehr nur die Analyse von Anlagen an, sondern auch, das Geld der Anleger zu verwalten. Eine Reihe von Übernahmen machte BlackRock in der Folge zur Nummer eins unter den weltweiten Geldverwaltern. 

Augenfällig bleibt der massive Interessenkonflikt, den Buchter in ihrem Buch immer wieder thematisiert: BlackRock liefert zum einen Analysen für Wertpapiere, kauft aber zum anderen diese Wertpapiere von denen, für die die Analysen erstellt werden. Ein Vorwurf, den BlackRock-Verantwortliche mit dem Argument kontern, ausschließlich Vermögensverwalter für ihre Anleger zu sein, weshalb es keine Interessenkonflikte mit Kunden geben könne. Ein Austausch zwischen Analysten und Fondsmanagern finde angeblich nicht statt. Das mag man glauben oder auch nicht. BlackRock jedenfalls versichert immer wieder, alles Notwendige getan zu haben, um auszuschließen, daß aus „Insiderwissen“ Kapital geschlagen wird. 

Mit Blick auf Deutschland hält Buchter fest, daß BlackRock der „neue Großeigentümer der Deutschland AG“ ist. Sie sieht das eigentliche Problem dieser Omnipräsenz in allen wichtigen Dax-Unternehmen aber nicht darin, daß die New Yorker „Masters of the universe“ die Geschicke dieser Dax-Unternehmen mitdiktierten, sondern vielmehr darin, daß sie sich, wohl auch aufgrund mangelnder „Manpower“, nicht wirklich für das Schicksal der meisten Unternehmen in ihren Portfolios interessierten. Ein Befund, der nicht gerade beruhigend auf die Vorstände deutscher Dax-Unternehmen wirken dürfte. 

Eine besondere Gefahr erblickt Buchter in dem zunehmenden Handel mit Exchange Traded Funds (ETFs). ETFs sind Investmentfonds, die direkt über die Börse ge- und verkauft werden können. BlackRock ist ein wichtiger Anbieter von ETFs und kann damit in der Tat krisenhafte Entwicklungen an den Finanzmärkten beschleunigen. 

Auch wenn vieles, was Buchter über BlackRock berichtet, nicht wirklich neu ist, zeigt ihr Buch unter anderem, daß die Folgen der Finanzkrise keineswegs ausgestanden sind und es wohl unmöglich sein wird, die Finanzmärkte gegen den Willen von Giganten wie BlackRock zu regulieren, dessen globale Aktivitäten neue systemische Risiken eröffnen. Diese Erkenntnis wird dem Leser aufgrund der sehr umfassenden Ausführungen der Autorin, die immer wieder auch auf spezifische Entwicklungen an den Finanzmärkten eingeht, allerdings nicht eben leichtgemacht, weil der rote Faden hin und wieder verlorenzugehen droht. Immerhin ist auf diese Weise nicht nur ein Buch über BlackRock, sondern auch ein aufschlußreiches Buch über den Status quo des Finanzmarktkapitalismus entstanden.

Heike Buchter: BlackRock. Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld. Campus Verlag, Frankfurt/Main 2015, gebunden, 288 Seiten, 24,99 Euro