© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/16 / 17. Juni 2016

„Wir müssen ein Zeichen setzen“
Islam: In Berlin protestieren moslemische Studenten gegen die Schließung eines Gebetsraumes
Lukas Steinwandter

Das Gebet beginnt in wenigen Minuten, nachher könnten wir sprechen, sagt ein dunkelhaariger junger Mann, der quirlig einen Lautsprecher aufbaut. Zum dritten Mal in Folge treffen sich rund hundert Moslems vor dem Hauptgebäude der Technischen Universität Berlin (TU). Exakt an der Stelle, an der das Grundstück der Universität endet. Doch es ist kein gewöhnliches Freitagsgebet, das die Gläubigen ihrer religiösen Tradition gemäß gemeinsam abhalten sollen. Ein halbes Dutzend Polizisten positioniert sich rund um den Menschenpulk, als das Gebet beginnt. 

„Das ist eine angemeldete Demonstration“, sagt einer der Uniformierten. Davon zeugen auch Lautsprecher sowie einige Journalisten mit Papierblock und Kamera. „Wir müssen ein Zeichen setzen für Muslime in aller Welt, daß wir hier eine Einheit bilden“, spricht der Vorprediger Ahmed Tamin in sein Mikrofon. Zuvor hatte er das Gebet auf arabisch und deutsch eingeleitet. Ein Zeichen setzen wollen die Anwesenden vor allem für sich selbst. Bis März dieses Jahres durften moslemische Studenten unter anderem in einer Turnhalle der TU ihr Freitagsgebet abhalten. 

Dem Präsidium zufolge nahmen rund 500 Personen das Angebot regelmäßig wahr. Auch Imame predigten in den Uniräumen. Unter ihnen befand sich laut FAZ auch Abdul Adhim Kamouss, der früher zur berüchtigten salafistischen Berliner Al-Nur-Moschee gehörte. 

Von den Betenden sind nicht alle Studenten

„Die Neutralität und der Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche haben uns zu dem Entschluß geleitet, künftig unsere Räumlichkeiten für die aktive Religionsausübung, zu der Gottesdienste, Messen oder Freitagsgebete gehören, nicht mehr zur Verfügung zu stellen“, informierte Uni-Präsident Christian Thomsen. Bei einem Freitagsgebet im März drohte ein Prediger der Universitätsleitung laut Tagesspiegel mit nicht näher definierten „Konflikten“. Was waren die Gründe für den Kulturwandel des Präsidiums? Es gebe mehrere, betonte Thomsen. Ein gewichtiger: eine staatliche Universität sei ein weltanschaulich neutraler, unparteiischer Ort, an dem der wissenschaftliche Diskurs und die Lehre im Mittelpunkt stünden. „Es gibt keinerlei Notwendigkeiten, dieses Freitagsgebet auf dem Campus abzuhalten“, argumentierte die Unileitung in einer weiteren Stellungnahme im Mai. Zudem gebe es in Berlin genügend andere Möglichkeiten dafür. 

Genau hier liegt der Knackpunkt. „Wir wollen unsere Gebete im Unialltag integrieren“, sagt ein Teilnehmer am Freitag, der seinen Namen nicht nennen will. „Die nächste Moschee ist zu weit weg. Hin und zurück brauchen wir eineinhalb Stunden, dann verpassen wir unsere Kurse.“ Daß die moslemischen Studenten und Anwohner den Gebetsraum nicht mehr nutzen dürften, werten viele hier als Zeichen des Umschwungs – und als Provokation. „Wir fühlen uns von den Medien verletzt, sie machen Stimmung gegen uns. Man braucht sich nur die Foren großer Medien anzuschauen.“ 

Von den Betenden seien nicht alle Studenten der TU. „Wir haben keine politische Botschaft, wir möchten einfach nur unseren religiösen Pflichten nachkommen.“ Mit dem Präsidium habe man mehrmals versucht zu reden, sagt er. „Doch die bleiben bei ihrer Meinung.“

Während die rund 100 Männer – und zehn Meter dahinter fünf Frauen – zum etwa 30 Minuten langen Gebet ansetzen, tummeln sich nur wenige Interessierte auf dem Campus. „Bis gerade eben wußte ich gar nicht, was das hier ist“, erklärt ein Elektrotechnikstudent und deutet mit seinem rosafarbenen Eis auf die Betenden. Unter den Studenten sei der Gebetsraum kein Thema. Eine Studentin, die aufmerksam das Geschehen verfolgt, bestätigt das. „Ich bin hier, weil einer meiner Freunde früher immer in den Gebetsraum ging, ansonsten hat nie jemand darüber gesprochen.“ Die junge Frau mit dem kurzen Sommerkleid habe keine Probleme damit, wenn die Moslems wieder im Uni-Gebäude beten. „Die stören doch keinen.“ 

Die Stimme des Vorpredigers wird lauter. In Deutschland ginge es den Moslems gut. Sie hätten Rechte und dürften Moscheen bauen, betont er. Doch Pegida und AfD zeigten, daß sich die Stimmung immer mehr gegen sie wende. Moslems genössen nicht nur Rechte, sondern hätten auch Pflichten. „Wir sind uns einig, daß alle muslimischen Frauen Kopftuch tragen müssen und sollen.“ 

Wenige Minuten später sind die Teppiche eingepackt, die Lautsprecher abgebaut. Ein junger Mann mit Bart kündigt an: „Sicher werden wir wiederkommen, wir wollen unseren Gebetsraum zurück.“