© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/16 / 17. Juni 2016

CD-Kritik: Alexander Skrjabin
Übergipfelt
Jens Knorr

Die 1907 komponierte Sonate Nr. 5 op. 53 markiert die Schwelle zu Alexander Skjabins Spätwerk, sofern bei dem im Alter von 43 Jahren an einer Blutvergiftung gestorbenen russischen Komponisten überhaupt von Spätwerk gesprochen werden kann. Mit dem vorangestellten Motto verweist der Komponist auf die Verbindung zum „Poème de l’Extase“. Wie dort die Form der Symphonie, so ist hier die Form der Klaviersonate in die Einsätzigkeit überführt, der Gedanke der Durchführung in den der Evolution. Das bedeutet die Negation der Sonatenform innerhalb ihrer selbst, den Umschlag bürgerlicher Aufklärung in den Mythos, aus dem sie hervorgegangen. Skjabin kleidet ihn nur esoterisch ein.

Pervez Mody läßt dem Hörer Luft, damit er in all den Klangkaskaden nicht ertrinkt, sondern klaren Durchblick behält. Sein Spiel wirkt klärend, ohne Skrjabins übergipfelte Emphase aufklären zu wollen. Mit dem Wissen um ihr Geheimnis wächst ihr Geheimnis mit.

Die weiteren der Sonate nachgestellten Stücke sind Miniaturen aus dem Frühwerk in der Nachfolge Chopins und Liszts und in Zeitgenossenschaft Rachmaninows, die dem eilig rubrizierenden Ohr Klavierstücken der drei Komponisten zum Verwechseln ähnlich klingen. Wie es von diesen zu der Sonate Nr. 5 gekommen, ist die knifflige Aufgabe, die Mody dem Hörer stellt. Er vertraut ihm.

Pervez Mody spielt Skrjabin Vol. 5 Thorofon, 2016  www.bella-mucia-edition.de