© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/16 / 17. Juni 2016

Der Favorit fürs höchste Amt
Die Republik sucht einen Präsidenten, und die JF weiß, auf wen sich alle einigen können
Ronald Berthold

Die traurige Nachricht traf die traute Runde wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Lange schon hatte Joachim Gauck die Spitzen der Bundestagsparteien über seinen Rückzug informiert. Und das Zentralkomitee zur Bestimmung des nächsten Bundespräsidenten hatte sich längst auf die Top-Favoritin geeinigt, die alle Kriterien zu erfüllen schien: Frau, langjährige politische Erfahrung, einstige First Lady, überzeugte Antifaschistin und heute mit Fluchthintergrund. Doch dann verdarb im Mai die Botschaft vom plötzlichen Ableben der Margot Honecker im fernen Chile dem Komitee die gute Laune. Angela Merkel, Sigmar Gabriel, Cem Özdemir, Gregor Gysi und Christian Lindner sowie als externe Berater Hans Modrow und Oliver Welke müssen nun einen neuen Nachfolger für Gauck finden. Derzeit kursiert in diesem Gremium eine Liste, die der JF samt Sitzungsprotokoll exklusiv zugespielt wurde.

Alexander Van der Bellen

Der österreichische Grünen-Politiker gilt laut Protokoll als „echte Option“ für den Fall, daß das Verfassungsgericht im Nachbarland seine Wahl zum Präsidenten für gefälscht erklärt. Eine konkrete Diskussion über seine Person wurde bis zum Urteil der höchsten Richter vertagt. Aber seine „weltoffene Haltung“ und sein „Migrationshintergrund“ machten ihn zu einem „natürlichen Kandidaten“, faßte Merkel zusammen.

Georg Friedrich Prinz von Preußen

Kam nur auf die Liste, um Ausgewogenheit zu suggerieren. Özdemir, Gysi und Merkel über ihn wie aus einem Mund: „Wir brauchen auch einen Streichkandidaten.“ Modrow sekundierte: „Ja, es muß demokratisch aussehen.“ Der Chef des Hauses Hohenzollern wurde vergangene Woche 40 und erfülle damit die Norm, das höchste Amt des Staates ausüben zu dürfen. „Das ist aber auch das einzige Kriterium“, feixte Welke. Alle waren sich einig, daß die preußischen Werte, für die der Thronfolger stehe, völlig unmodern, aus der Zeit gefallen und „nicht hilfreich“ (Merkel) wären. „Aber damit können wir das Pack beruhigen“, hoffte Gabriel.

Franz Beckenbauer

„Wenn wir den auf die Liste setzen, vertrauen uns die Fußball-Fans“, sagte Welke. Er gab aber zu bedenken, daß „der Franz“ verantwortlich sei für das Sommermärchen 2006 und damit für die verheerende Flut deutscher Fahnen. „Dem Gröhe konnte ich so ein rückwärtsgewandtes Teil bei unserer Wahlparty gerade noch entreißen“, stimmte Merkel dem Fernsehmann zu, und alle applaudierten ihr für das große Stück Zivilcourage, das sie damit gezeigt habe. „Du bist unsere große Kanzlerin“, jubelte Lindner und ergänzte: „Das sage ich jetzt mal im Namen aller Liberalen.“ Alle waren sich einig, daß Deutschland „keinen Kaiser“ brauche.

Aiman Mazyek

Der Präsident des Zentralrats der Muslime ist jetzt Favorit. „Er bringt alles mit, was wir brauchen“, gab Merkel die Richtung vor. „Genau“, erwiderte Gysi: „Damit können wir dem letzten Pegida-Depp zeigen, daß der Islam zu Deutschland gehört.“ Allgemeines Nicken in der Runde. „Was kann man dagegen sagen?“ fragte Özdemir eigentlich nur so für sich. Die Runde antwortete laut: „Gar nichts.“ Lindner schaute schnell bei Wikipedia nach, ob der Medien-Liebling überhaupt schon 40 ist: „Ist er!“ rief er erleichtert. Modrow hatte das letzte Wort: „Dieser Maizeck, ach, ich weiß auch nicht, wie man den ausspricht, steht für das Neue Deutschland.“

Claudia Roth

Als Özdemir seine Parteifreundin auf den Schild hob, brach Gysi in Tränen aus: „Eine Frau! Wie die Margot!“ schluchzte er. Während Modrow ihm ein Taschentuch reichte, dabei eine Anekdote von einem gemeinsamen Abend in einer HO-Gaststätte nahe Dresden zum besten gab, fragte Merkel: „Aber was ist dann mit Aiman Mazyek?“ Auch dafür hatte Özdemir eine patente Antwort: „Wir Grünen fahren mit der Doppelspitze sehr gut!“ Alle stimmten zu: „Der Aiman und die Claudia sind das beste Team“, sagte Gabriel: „Eine Frau und ein Mann mit Migrationshintergrund, was für ein Tandem.“ Alle erhoben sich zu einem zwölfminütigen Beifallssturm – handgestoppt.