© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/16 / 24. Juni 2016

Blick in die Medien
Es geht auch ohne GEZ
Tobias Dahlbrügge

Bis zum 10. Juli können Fußballfans in Bosnien und Herzegowina die EM auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen des Landes anschauen. Danach könnte die Mattscheibe schwarz bleiben.

Eigentlich sollte der Staatssender BHRT schon vor dem Anpfiff abgeschaltet werden, doch die Europäische Rundfunk-Union gewährte noch einen letzten Aufschub, trotz sechseinhalb Millionen Euro nicht gezahlter Übertragungsgebühren.

Die Hälfte der Bosnier weigert sich, die Bosniaken-GEZ zu zahlen. Da der Betrag mit der Festnetz-Telefonrechnung abgebucht wird, melden sie massenhaft ihre Anschlüsse ab und telefonieren nur noch mobil.

Die Gründe: Der Sender, der nach dem Krieg von der Uno installiert wurde, verbreitet Regierungspropaganda und ausländische Seifenopern. Zudem ärgern sich die Zuschauer über Beeinflussung und krasse Überbesetzungen. Haben Sie gerade ein Déjà-vu, liebe Leser?

Und so könnte Bosnien-Herzegowina bald das erste europäische Land ohne Staatsfunk sein. 

Mißwirtschaft und die Konkurrenz der Privaten setzen dem Staatsfernsehen zu. Monatlich erwirtschaftet die Anstalt ein Minus von 300.000 Euro. Natürlich gibt es auch dort kreative Politiker, die fordern, die Zwangsabgabe solle mit der Stromrechnung beigetrieben werden, doch bisher wurden solche Ideen erfolgreich blockiert.

Das Dilemma spiegelt auch die ethnischen Konflikte des Landes wider: Die Kroaten wollen ein eigenes Staatsfernsehen in ihrer Sprache, die Serben sabotieren grundsätzlich jede Regung bosnischer Nationalität, und die Bosnier selbst wollen sich nicht bevormunden lassen.

Daher wäre es ein Wunder, wenn sich Politiker und Beamte tatsächlich auf ein seit Jahren geplantes Rundfunk-Reformgesetz einigen würden. Und so könnte Bosnien-Herzegowina bald das erste europäische Land ohne zwangsfinanzierten Staatsfunk sein. Aber keine Sorge: Das wird die EU niemals zulassen. Falls sich das Land entschließt, tatsächlich Beitrittskandidat zu werden, wird sie sicher entsprechende Forderungen nach einer Reanimation des Staats-TVs erheben.