© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/16 / 24. Juni 2016

Riesen im Hochsicherheitstrakt
Die Wiederansiedlung von Spitzmaulnashörnern in Sambia verlief bislang erfolgreich
Dieter Menke

Selbst in Sambia, einem afrikanischen Land größer als Frankreich und Benelux zusammen, kann es blitzschnell gehen, eine Tierart wie das Spitzmaulnashorn (Diceros bicornis) auszurotten. Keine zehn Jahre benötigten Wilderer im einstigen Nordteil von Rhodesien, um den noch 1975 auf 10.000 bis 12.000 Tiere geschätzten Bestand auf Null zu bringen (Gorilla 1/16).

Dagegen braucht es nun schon 30 Jahre und enormen Aufwand, um wenigstens eine Mini-Population der tonnenschweren Riesen in der Savanne wieder anzusiedeln. Von Anfang an, nachdem 1986 keine Überlebenden des Massakers mehr ausfindig zu machen waren, engagierte sich die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) bei dem Projekt, Nashörner in den 4.500 Quadratkilometer großen Nordluangwa-Nationalpark zurückzuholen. Als unabdingbare Voraussetzung dafür galt der Aufbau einer Wildhütertruppe, die mangels staatlicher Initiative von zwei idealistischen US-Zoologen, Mark und Delia Owens, organisiert wurde. Da beide, denen die US-Presse nachsagte, sie hätten ein allzu „archaisches Afrikabild“, 1996 wegen einiger Übergriffe ihrer Ranger Sambia verlassen mußten, sprang die ZGF in die Bresche, erhöhte ihren Einsatz und schloß mit der Regierung in Lusaka einen Vertrag, der beide Seiten verpflichtete, das Owens-Projekt fortzusetzen.

Mehr Dickhäuter, mehr Wilderer

Die wichtigste Etappe erreichte die ZGF 2003, als eine Hercules-Maschine die ersten fünf von heute 32 Südlichen Spitzmaulnashörnern (Diceros bicornis minor) für 16.000 Dollar pro „Fluggast“ anlieferte. Auf sie und weitere zwischen 2006 und 2011 ebenfalls aus Südafrika geholte zwanzig Artgenossen, wartete im Park ein „Hochsicherheitstrakt“, das von 400 Profirangern bewachte 1.200 Quadratkilometer große „Rhino Sanctuary“. Damit ist aber, auch wenn die ZGF inzwischen 22 im Park geborene Kälber zählt, die Bahn keineswegs frei für den weiteren, sicheren Bestandsaufbau. Zum einen, weil es natürliche Hindernisse gibt. Nordluangwa hat harte Lebensbedingungen, mit heißer Trockenzeit und gewaltigen Überschwemmungen in der Regenzeit. Was sich 2011, im „schwarzen Jahr“ des Projekts, bestätigte, als fünf Nashörner infolge Trockenheit verendeten. Zum anderen, weil die Fortsetzung des erfolgreichen Parkmanagements alte Probleme aufwirft: Vermehren sich Nashörner, weckt das die Habgier von Wilderern. So weisen im Luangwatal die dezimierten Elefantenherden seit einiger Zeit kontinuierlichen Zuwachs aus, was prompt einherging mit der Zahl der gewilderten Dickhäuter.

Dieses Wettrennen zwischen Wildhütern und Wilderern sei nur dann zugunsten der Tierwelt zu entscheiden, wie der ZGF-Geschäftsführer Christof Schenk betont, wenn in Staaten wie Sambia stabile Verhältnisse herrschen und sich eine „mündige Zivilgesellschaft“ entwickle, die begreife, daß sie intakte Ökosysteme für das eigene Überleben benötige. Darum investiert die ZGF für ihren „ganz langfristigen Ansatz“, der auf 100 Tiere zielt, nicht nur in die inzwischen mit Kleinflugzeugen und Spürhunden perfektionierte Überwachung von Nordluangwa. Da der Park keine „isolierte Insel“ sei, so warnt der derzeitige Projektleiter Ed Sayer, müsse man die Armut in den ländlichen Regionen entlang seiner Grenzen bekämpfen. Sonst bleibe dies ein Nährboden für kriminelle Kartelle, die Dorfbewohner mit hohen Summen ködern und anstiften, Nashörner und Elefanten zu wildern.

„Pauschale Konflikte“ zwischen Naturschutz und Park-Nachbarn gibt es bislang offenbar deshalb nicht, weil die Frankfurter Finanziers eine komplexe, ökologische und sozioökonomische Strategie verfolgen, zu der seit 2003, pünktlich mit der Landung der ersten Nashörner, auch ein Umweltbildungsprogramm gehört, das jährlich 1.500 Schülern rund um den Nationalpark elementares Naturschutzwissen vermittelt.

Nordluangwa-Nationalpark:  www.zambiatourism.com

Foto: Spitzmaulnashorn in Sambia: Die Tiere sind nur sicher, wenn die Armut in den ländlichen Regionen entlang der Reservatsgrenzen bekämpft wird