© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/16 / 01. Juli 2016

„Unglückliches Geschäftsverhältnis“
Lebensschützer protestieren: In München hat eine Abtreibungsklinik eröffnet / Pikant: Die Räumlichkeiten gehören dem Schatzmeister der örtlichen CSU
Hinrich Rohbohm

Er gilt als Deutschlands bekanntester Abtreibungsarzt. Nachdem Friedrich Stapf bereits im vergangenen Jahr seine 1991 eröffnete Stuttgarter Klinik aufgrund massiver Proteste von Lebensschützern schließen mußte, droht dem Mediziner nun in München neues Ungemach. Im Stadtteil Freiham hatte er gerade eine neue Abtreibungsklinik eröffnet, nachdem der Mietvertrag für seine seit 1993 betriebene Klinik in München-Westend ausgelaufen war. Pikant dabei: Ausgerechnet der Immobilienunternehmer Hans Hammer, seines Zeichens Schatzmeister der Münchner CSU, hat ihm die dafür benötigten Räumlichkeiten vermietet. Eine heikle Verbindung, die innerhalb der Christsozialen für Empörung sorgt. Schließlich spricht sich die CSU nach wie vor gegen Abtreibungen aus. 

Sowohl der Landesverband Bayern der Christdemokraten für das Leben (CDL) als auch die Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) haben für diesen Freitag bereits zu einer Protestkundgebung vor dem Ärztehaus „Medicare-Freiham“ in der Hans-Stützle-Straße 20 aufgerufen. Unter dem Motto „Echte Hilfe für Mütter und Kinder – Zukunft statt Abtreibung bei Stapf“ wollen sie ab 15.45 Uhr eine Mahnwache vor dem Gebäude abhalten. „Um zu verhindern, daß Kinder vor der Geburt getötet werden“, sagen sie. 

„Wir sind entsetzt, daß Deutschlands Profi-Abtreiber Nr. 1, der Arzt Friedrich Stapf, nun in München eine 500 Quadratmeter große Abtreibungspraxis eröffnet hat. Stapf tötet nach eigenen Worten jeden Tag bis zu 20 Kinder vor deren Geburt im Mutterleib und hat, nach eigener Auskunft, bisher mehr als 100.000 Abtreibungen vorgenommen“, erklärt die bayerische CDL-Vorsitzende Christiane Lambrecht. Geradezu „grotesk“ sei es, daß sich in dem neuen Gesundheitszentrum „Medicare“ auch eine Kinderkrippe befinde. „Nur zwei Stockwerke über den spielenden Kleinkindern geht Stapf Tag für Tag seinem tödlichen Geschäft nach“, empört sich Lambrecht. „Ein wie am Fließband Kinder abtreibender Arzt wie Stapf“ zeige auch, daß die gesetzliche Regelung mit dem Beratungsschein das Bewußtsein für die vorgeburtliche Tötung von Kindern in unserer Gesellschaft getrübt habe. Abtreibung werde zunehmend als ein „überall verfügbares Element von ‘Familienplanung’“ angesehen. 

Geschäftemachen mit der Not von Frauen

„Wir wollen ebenfalls ein Signal  an die Christlich-Soziale Union (CSU) senden, daß wir niemals Geschäfte mit dem Tod machen können. Eine Partei kann sich nicht dadurch aus der Verantwortung stehlen, indem sie sagt, ihr Mitglied Hans Hammer habe ja als Privatperson gehandelt und das gehe die CSU nichts an“, argumentieren die Lebensrechtler. Die CSU solle wissen, daß eine solche Haltung Wählerstimmen kosten werde. Vielleicht sei die Führungsebene der Partei dann eher bereit, „wieder einen christlichen Weg einzuschlagen“.

Unterstützung erhalten die Lebensrechtler von mehreren prominenten CSU-Politikern. Es bestehe „aus unserer Sicht dringender Gesprächsbedarf“, hatten die Münchner Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Uhl, Johannes Singhammer und Julia Obermeier ihrem Bezirksvorsitzenden, dem bayerischen Kultusminister Ludwig Spaenle, sowie Münchens Zweitem Bürgermeister Josef Schmid schriftlich mitgeteilt. Von einem „brisanten Sachverhalt“ und einem „unglücklichen Geschäftsverhältnis“ ist die Rede. Wer mit der Not von Frauen lukrative Geschäfte mache, solle nicht auf die Unterstützung der CSU bauen können, hatte sich zudem Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer gegenüber der Süddeutschen Zeitung unmißverständlich klar geäußert. 

Münchens CSU-Schatzmeister Hans Hammer hingegen sieht in der Vermietung lediglich ein ganz normales Geschäft, über das er jedoch nicht reden wolle, weil es da um Kundeninterna gehe. Beruf und Parteiamt hätten nichts miteinander zu tun. Sein Mieter gehe einer legalen Tätigkeit nach. 

Stapf gelangte 1998 zu bundesweiter Bekanntheit, als er gemeinsam mit vier weiteren Ärzten mit Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht gegen ein Gesetz der bayerischen Landesregierung klagte, nach dem Abtreibungen nur von Gynäkologen vorgenommen werden dürften. Darüber hinaus sollten Schwangerschaftsabbrüche maximal 25 Prozent der Praxiseinnahmen ausmachen dürfen. Eine Regelung, die für Stapf das Ende seines Wirkens bedeutet hätte. Doch die Verfassungsrichter erklärten das Gesetz in Teilen für nichtig. „Das war ein Befreiungsschlag gegen das konservative Bayern“, jubelte der inzwischen 70jährige damals. Nach den zunehmenden Protesten von Lebensschützern dürfte ihm der Jubel inzwischen vergangen sein.