© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/16 / 01. Juli 2016

Neue Graswurzelbewegung etabliert sich: Weniger Wachstum ist mehr
Kein besseres Leben mehr für alle
(wm)

Vor zehn Jahren von Frankreich ausgehend, ist die Degrowth-Bewegung inzwischen sogar im Vatikan angekommen. Verwendet Papst Franziskus doch in seiner Ökologie-Enzyklika „Laudato Si“ von 2015 deren zentralen Kampfbegriff „decrescita“ („degrowth“), der Schrumpfung des Wirtschaftswachstums meint. In Deutschland faßte die Bewegung nur langsam Fuß, ist aber seit Herbst 2014, als in Leipzig eine internationale Degrowth-Konferenz 3.000 Teilnehmer anlockte, akademisch fest etabliert. Mit der Finanzierung eines Forschungskollegs „Postwachstumsgesellschaften“ an der Uni Jena hat auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft dieser „Graswurzelbewegung“ Beachtung geschenkt. Der Soziologe Dennis Eversberg vom Jenaer Kolleg und der Wirtschaftshistoriker Matthias Schmelzer (Zürich) sehen in ihr eine antikapitalistische, auf „grundlegende Systemtransformation“ ausgerichtete Bewegung, die trotzdem „politisch polyvalent“ sei (Forschungsjournal Soziale Bewegungen, 1/2016). Ideologisch konkurrieren fünf Fraktionen, von der „ökofaschistischen Neuen Rechten“ Alain de Benoists und wertkonservativen CDU-Abweichlern wie Meinhard Miegel bis zur linksradikalen Globalismuskritik. Kleinster gemeinsamer Nenner sei die Überzeugung, daß weiteres Wachstum „kein besseres Leben mehr für alle“ garantiere, sondern globale Ungerechtigkeit ausweite. 


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