© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/16 / 01. Juli 2016

Wer vom deutschen Volk spricht, ist Nationalsozialist
Plädoyer für eine Diskursverschärfung
(wm)

Wie die laufende Debatte über Martin Heidegger und sein in den „Schwarzen Heften“ dokumentiertes Verhältnis zum Nationalsozialismus (JF 13/15) einmal mehr zeigt, kann man, so bemängelt dies der Berliner Publizist Per Leo (Merkur, 804/2016), bei Philosophen geradezu von einer „Rezeptionsverweigerung“ bezüglich der Zeitgeschichte sprechen. Nichts beweise dies schlagender als der „sorglose Umgang“ mit dem Begriff Nationalsozialismus, der mit einer „Verkettung hochproblematischer Unterstellungen“ arbeite. In der Regel genüge den im Fall Heidegger maximal ahistorisch argumentierenden Philosophen schon der Nachweis partieller Berührungen mit der NS-Ideologie, um ein vernichtendes „geistig-moralisches Totalurteil über eine Person und ihr Werk“ zu fällen. Leo plädiert aber gegen die mit „erstaunlich gedankenlosen Kurzschlüssen“ operierenden Heidegger-Jäger nicht etwa für eine Abkehr vom vorherrschenden Hypermoralismus, sondern für dessen Fortsetzung auf einem vermeintlich weniger primitiven Niveau. Nicht „den“, sondern allgemeinen „Nationalsozialismus“ gelte es zu erfassen, um die Rede vom deutschen Volk gestern und heute als nationalsozialistisch zu markieren. Konsequent endet Leos Essay im Antifa-Jargon mit einer gegen Verteidiger der „identitären“ deutschen „Kultur- und Schicksalsgemeinschaft“ gerichteten Pöbelei: „Nazis raus!“ 


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