© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/16 / 01. Juli 2016

Ungarndeutsche Feinheiten
Ein „Familienbuch“ aus der Schwäbischen Türkei
Heinz Noack

In einem beeindruckenden „Familienbuch“ beschreibt der Ungarndeutsche Heinrich Oppermann seine deutsch-evangelische Heimatgemeinde Sektschi/Kaposszekcsö in Südungarn, der „Schwäbischen Türkei“, die jetzt zum Komitat Tolna gehört. In bislang vier Büchern und zwei Gedichtbänden ging Oppermann auf das Los seiner nach dem Zweiten Weltkrieg vertriebenen Landsleute ein. Die Mikrostudie des namhaften, an der TU Dresden wirkenden Naturwissenschaftlers und seiner Mitautoren Rolf Domke, Heinrich Sommer und Konrad Lötz, allesamt Zeitzeugen, erinnert zugleich an die Geschichte vieler Ungarndeutschen aus dem Land zwischen Donau, Drau und Plattensee. 

Siebzig Jahre nach dem verhängnisvollen Ende einer 300jährigen Geschichte ergänzt diese Chronik bisher erschienene Heimatbücher aus der Region um Fünfkirchen (Pécs) und weitet die rein heimatkundlichen Darstellungen früherer Jahre. Zu DDR-Zeiten war für viele „Umsiedler“ die Verschleppung zu Reparationsleistungen in die Sowjetunion und die bis 1948 anhaltende rücksichtslose Vertreibung aus dem „sozialistischen Bruderstaat“ ein Tabuthema. Dieses dunkle Kapitel der Nachkriegsverbrechen spart dieses „Familienbuch“ jedoch nicht aus.

Der 1934 geborene Autor zeichnet die Einwanderung seiner Ahnen nach Ungarn über die Donau, die Ansiedlung, die Entwicklung des Dorfes mit seinen Eigenheiten und Gewohnheiten nach. Bemerkenswert sind dabei prägnante Beschreibungen der evangelischen Kirchen in den sogenannten „Erstsiedlungsdörfern“ Kosart, Ismi, Klamanok, Meknitsch, Bikal, Waschad, Jerking und Tekisch, aus denen die Urväter der Tochterkolonie Sektschi kamen. Die Strukturen des Dorfes, das Schulwesen, die gemeindeeigenen und privaten Einrichtungen sowie das kulturelle Leben werden bis zur Zeit der Vertreibung beleuchtet. 

Dabei dringt das Buch bis in die Einzelheiten vor, zählt die Namen von Bewohnern vor 1945 auf, nennt Gefallene und Verschleppte. Die Darstellung des Sektschier Dialekts läßt ermessen, mit welchen sprachlichen Problemen viele der wenig willkommenen „Umsiedler“ nach 1946 in ihrer neuen Heimat in der Oberlausitz zusätzlich zu kämpfen hatten. 

Heinrich Oppermann u.a.: Familienbuch Kaposszekcsö/Sektschi. Selbstverlag (Kontakt: Heinrich.oppermann@gmx.de), Tamm 2015, gebunden, 235 Seiten, 40 Euro