© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/16 / 08. Juli 2016

„Verheerend für die Partei“
Führt die Spaltung der Stuttgarter Fraktion die AfD in die nächste Zerreißprobe? Der AfD-Politiker Wolfgang Fuhl, ehemals Chef der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Baden, sieht eine letzte Chance für Jörg Meuthen und erhebt schwere Vorwürfe gegen Frauke Petry
Moritz Schwarz

Herr Fuhl, der Eklat ist da. Haben Sie damit gerechnet?

Wolfgang Fuhl: Mir war angedeutet worden, daß der Versuch, die Gedeon-Krise durch einen Befreiungsschlag zu lösen, vorbereitet wurde. Dieser ist nun leider gescheitert.

Fraktionschef Jörg Meuthen hat die notwendige Zweidrittelmehrheit erneut verfehlt. Sind Sie überrascht?

Fuhl: Absolut. Ich hatte gehofft, daß jene Landtagsabgeordneten, die zuletzt noch Wolfgang Gedeon gedeckt hatten, inzwischen zur Vernunft gekommen sind. 

Worauf begründete sich Ihre Hoffnung?

Fuhl: Mein Eindruck war, daß einigen ihr Votum für die Einsetzung einer Gutachterkommission im Fall Gedeon inzwischen selbst unheimlich geworden ist. Und daß sie mittlerweile begriffen haben, wie verheerend es für eine Partei mit bürgerlichem Anspruch ist, sich einen Antisemiten in ihren Reihen zu leisten. 

Wie deuten Sie das Verhalten jener, die nach wie vor zu Wolfgang Gedeon halten?

Fuhl: Ich glaube, das hat viel mehr mit persönlicher Sympathie, Solidarität oder prinzipieller Verteidigung einer unbedingten Meinungsfreiheit zu tun, als damit, daß man die Positionen von Herrn Gedeon teilt. Gleichwohl ist der Umstand ernüchternd.

Inwiefern?

Fuhl: Sehen Sie, Sie denken vielleicht, der Fuhl ist Jude, daher ist es sein erstes Interesse, daß es im Fall Gedeon zu einem klaren Schnitt gekommen ist. Falsch. Das denke ich viel weniger, weil ich Jude, sondern vielmehr weil ich AfD-Mitglied bin. Denn ohne einen solchen Schnitt wird die Partei von den Medien und vom politischen Gegner als „Antisemiten-Partei“ dargestellt und das,  obwohl der Vorwurf – obgleich in diesem einen Fall richtig – in Gänze völlig unzutreffend ist. 

Der Fall Gedeon ist also nicht repräsentativ für die AfD?

Fuhl: Nein. Ich zumindest habe sonst  nur das Gegenteil erlebt. Und ich bin viel unterwegs in der Partei. Allerdings erwarte ich, daß die Partei Wolfgang Gedeon nun konsequent ausschließt. Sonst werde nicht nur ich, sondern auch viele, die ich kenne, und keineswegs nur Juden, der Partei den Rücken kehren.

Könnte es zur erneuten Spaltung der Partei kommen? 

Fuhl: Ausschließen kann man angesichts der Lage leider gar nichts. Allerdings, wenn die Verhältnisse an der Basis in der ganzen Partei so sind, wie sie bei mir im Kreisverband sind, gibt es keine Spaltung – denn da ist die Stimmung ziemlich eindeutig: Antisemitismus ist nicht zu dulden.

Ist Ihr Landesvorsitzender Jörg Meuthen nun am Ende?

Fuhl: Professor Meuthen hat zweifellos eine schwere Niederlage erlitten. Andererseits hat er nun den nötigen Schnitt vollzogen, und die Mehrheit der Fraktion – wenn auch nur die einfache  – ist ihm gefolgt. Er hat sich freigeschwommen, und dies könnte für ihn eine zweite Chance bedeuten, sofern ihn der Rest der Partei unterstützt.

Das eben ist die Frage, denn zwar hat ihm die Mehrheit des Bundesvorstandes vor der Pressekonferenz am Dienstag nachmittag, bei der er seinen Austritt aus der Fraktion erklärt hat, ausdrücklich den Rücken gestärkt – nicht aber ausgerechnet die Bundesvorsitzende Frauke Petry.

Fuhl: Sehr zu meinem Bedauern wurde der Konflikt von Frauke Petry von Beginn an benutzt, um gegenüber Jörg Meuthen zu punkten. So hat sie gegen einen Fraktionsausschluß Gedeons Stellung bezogen und die Einsetzung der Gutachterkommission favorisiert. Damit ist sie Herrn Meuthen in den Rücken gefallen. Und dies hat vielleicht erst den einen oder anderen AfD-Landtagsabgeordneten dazu gebracht, die Gutachterlösung einem Ausschluß Gedeons vorzuziehen. Ohne Petrys Eingriff wäre also der Fall Gedeon möglicherweise schnell erledigt gewesen. Ich glaube dabei aber nicht, daß Frauke Petry auch nur die geringste Sympathie für Antisemitismus hat. Aber sie hatte keine Skrupel, diese Affäre zu nutzen, um politische Spielchen zu treiben und ihren innerparteilichen Gegner Meuthen schlecht dastehen zu lassen. Das ist wirklich verwerflich.

Was folgt für Sie daraus? 

Fuhl: Sollte es sich tatsächlich als wahr herausstellen, daß sie sogar versucht hat, die Fraktionsmitglieder davon zu überzeugen, nicht mit Meuthen zu gehen und sich also von Herrn Gedeon zu trennen, wäre das eine Riesen-Enttäuschung für mich – und der Bruch mit ihr und dem Teil der AfD, der ihr dabei folgt.

Herr Fuhl, der Journalist und AfD-Berater Michael Klonovsky erklärte das „umständliche, politisch naiv wirkende Prozedere um Herrn Gedeon und dessen unappetitliche Thesen“ so: „Wir schließen Judenfeinde aus, aber nicht auf Knopfdruck (...) Wir sind als Partei Schutzraum der freien Rede, die mit einer gewissen Notwendigkeit die dumme, bösartige Rede einschließt (...) Besser ein ungeschickter Parteiausschluß als ein allzu geölter.“ Hat er recht?

Fuhl: Ja, da ist schon etwas dran. Aber hat sich Herr Klonovsky denn auch überlegt, ob die Partei eine Zitterpartie bis in den Herbst imagemäßig tatsächlich überlebt hätte?






Wolfgang Fuhl, der Vorsitzende des südbadischen Kreisverbands Lörrach und Landtagskandidat der AfD war von 2007 bis 2012 Chef der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden. Geboren wurde der Abteilungsleiter eines Mittelständlers 1960 in Weil am Rhein.