© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/16 / 08. Juli 2016

„Das war für mich ein Schock“
Was denken Juden in der AfD über die Affäre Gedeon? Der ehemalige Europa- und Landtagswahlkandidat Alexander Beresowski kritisiert seine Partei – nimmt sie aber zugleich vor dem Vorwurf des Antisemitismus in Schutz
Moritz Schwarz

Herr Beresowski, kennen Sie Wolfgang Gedeon persönlich?

Alexander Beresowski: Ich habe ihn mehrfach getroffen. Persönlich war er mir von Beginn an eher unsympathisch – aber ich bitte Sie, das besagt natürlich nichts! Er wirkte auf mich irgendwie verstiegen und sehr absolut in seinen Positionen. Seine antizionistische Haltung habe ich natürlich zur Kenntnis genommen. Ich meine jedoch, Israel-Kritik ist legitim – solange sie Israel nicht Rechte abspricht, die man jedem anderen Staat zubilligt. Und auch wenn mir Herrn Gedeons Antizionismus von Beginn an krude vorkam und er damit nach meiner Ansicht besser in die Linkspartei gepaßt hätte, hätte ich nie gedacht, daß er sich zum Antisemitismus verirrt! Das war für mich unvorstellbar.

Warum?

Beresowski: Vielleicht weil ich immer zunächst das Gute unterstelle.

Ist für Sie erwiesen, daß er Antisemit ist?

Beresowski: Ja! Das belegen seine Schriften. Ich erspare Ihnen eine Aufzählung der Beispiele – Sie kennen sie selbst. Der Philosoph Marc Jongen hat diese schließlich jüngst in einem Beitrag für Ihre Zeitung ausführlich analysiert.

Gedeon allerdings streitet jeden Antisemitismus ab.

Beresowski: Ich weiß, finde das aber nicht überzeugend. Nach meiner Ansicht ist er ein typischer „Schreibtischtäter“. Ich meine damit jemanden, der nicht zugibt, was er eigentlich denkt, sondern bemüht ist, dies zu bemänteln.

Haben Sie Herrn Gedeon mit den Vorwürfen einmal konfrontiert, um sich diesbezüglich persönlich ein Bild zu machen?

Beresowski: Sie werden verstehen, daß ich nach dem, was er über Juden schreibt, keinen Bedarf habe, mich mit ihm persönlich auszutauschen. Was ich getan habe war, eine E-Mail an alle Mitglieder des Landesverbandes und der Fraktion zu schicken, so daß Herr Gedeon von meiner Kritik an ihm informiert ist. 

Etliche Medien haben die AfD angesichts des Falls Gedeon als eine Art Antisemiten-Partei dargestellt. Ist der Fall tatsächlich symptomatisch für die Partei? 

Beresowski: Nein, eben nicht. Außer bei Gedeon bin ich bisher noch nie auf Antisemitismus in der AfD gestoßen. Deshalb war der Fall für mich ja auch so ein Schock. Und deshalb wohl war es für mich zunächst auch unvorstellbar, daß hinter Gedeons Antizionismus tatsächlich Antisemitismus steckt.  

Allerdings, zehn der 23 AfD-Abgeordneten im Landtag weigerten sich bis zuletzt, Gedeon aus der Fraktion auszuschließen. Hat die AfD also doch ein größeres Antisemitismus-Problem?

Beresowski: Nein, die Gleichung, daß alle Antisemiten sind, die den Antisemiten Gedeon verteidigen, ist zu einfach. Ich sehe da eher Korpsgeist am Werk. Motto: Wenn wir angegriffen werden, müssen wir zusammenstehen! Menschlich verständlich, in diesem Fall aber Unsinn, weil Herr Gedeon ja nicht zu Unrecht angegriffen wird, sondern die Vorwürfe zutreffen! Dennoch, das sage ich offen, bin ich enttäuscht von denen, die nicht bereit waren, für seinen Ausschluß zu stimmen. 

Warum?

Beresowski: Enttäuscht bin ich darüber, daß sich offensichtlich so viele politische Amateure in der Fraktion versammelt haben, die nicht verstehen, wie einfach es Gedeon macht, die AfD anzugreifen. Diese Hasardeure erfassen nicht, daß die AfD mit dem Image „NPD light“ oder „Republikaner 2.0“ keine Alternative mehr für Deutschland sein kann! 

Sie sehen das rein taktisch?

Beresowski: Glauben Sie mir, für mich als Juden ist ein aufrichtiges Bekenntnis gegen Antisemitismus Voraussetzung dafür, mich in der AfD zu engagieren! Doch bis auf den Fall Gedeon gibt es für mich keinen Grund, daran zu zweifeln. Der falsche Umgang mit diesem Mann drohte alles kaputtzumachen, wofür wir gekämpft haben! Ich meine, daß die AfD-Abgeordneten keineswegs nur ihrem Gewissen verpflichtet sind, sondern ebenso all den Tausenden Mitgliedern, die auf der Straße den Wahlkampf für sie geführt haben. Die, wie ich, den Kopf hingehalten haben. Das Wohnhaus meiner Familie etwa wurde wüst beschmiert, in der Nachbarschaft verhetzende Flugblätter gegen mich verteilt. Ich bin sicher, die AfD ist die vorerst letzte Chance, eine echte politische Alternative in Deutschland zu etablieren. Wird diese vertan, wäre das eine Katastrophe. Aber einige unterschätzen völlig, wie sehr es der Partei schadet, wenn sie ihn jetzt nicht endlich ausschließt.  

Was, wenn Gedeon bleibt?

Beresowski: Dann gehe ich. Und zwar im „Herbst der AfD“, wenn alle Bemühungen des Bundes-, der Landesvorstände, vieler Kreisvorstände und Mitglieder in Baden-Württemberg erfolglos bleiben. Ich danke aber Landesparteichef Jörg Meuthen, der erkannt hat, daß er sich nicht in die Büsche schlagen darf, sondern sich verpflichtet fühlte, um die AfD zu kämpfen. Davor ziehe ich meinen Hut.






Alexander Beresowski, der Vorstand im Kreisverband Stuttgart war Europa- und Landtagskandidat der AfD in Baden-Württemberg. Der gelernte Kaufmann wurde 1965 in Odessa geboren, kam 1991 in die Bundesrepublik und nahm 2001 die deutsche Staatsbürgerschaft an.