© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/16 / 08. Juli 2016

„Freue mich, daß Ihre Eltern Sie nicht abgetrieben haben“
Lebensschutz: In München haben christliche Gruppen gegen eine Abtreibungsklinik protestiert / Warnung vor Kultur des Wegsehens
Hinrich Rohbohm

Sein Geschäft ist die Abtreibung. Ein Geschäft, daß Friedrich Stapf einmal als seinen „Traumberuf“ bezeichnet hatte. Ein CSU-Landtagsabgeordneter nannte den 70jährigen deswegen schon mal einen „Massentöter“. Pro Tag können 20 Kinder nicht das Licht der Welt erblicken, weil ihnen in seiner Klinik bereits vor der Geburt die Chance auf das Leben genommen werde, kritisieren Lebensschützer Deutschlands bekanntesten Abtreibungsarzt. 

150 von ihnen haben sich am vergangenen Freitag zu einer Mahnwache vor dem Ärztehaus in München-Freiham versammelt, dem neuen Domizil von Stapfs Abtreibungsklinik. Sie haben Pappschilder mitgebracht. Eines davon ist an einen Roller angelehnt. „Das Kind für diesen Roller fehlt!“, steht dort mahnend geschrieben. Wenige Meter entfernt liegt eine Badehose. „Das Kind für diese Badehose fehlt“, heißt es da. Auf dem Asphalt vor dem Gebäude haben die Lebensrechtsaktivisten zudem hundert weiße Kerzen zu einer Kinderwagenform zusammengestellt. Hundert Kerzen für hundert Abtreibungen, die in Stapfs Klinik pro Woche erfolgen. „Die Kerzen stehen für die Unschuld der Kleinen“, erklärt Bayerns Landesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), Christiane Lambrecht. Ihr Verband gehört neben der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) zu den Organisatoren der Mahnwache, die unter dem Motto „Echte Hilfe für Mütter und Kinder – Zukunft statt Abtreibung bei Stapf“ steht. 

„Wir wollen, daß diese Abtreibungsklinik hier in Freiham geschlossen wird“, macht Lambrecht unter dem Beifall ihrer Anhänger unmißverständlich klar. Entsprechend nervös reagiert der Abtreibungsarzt Stapf. Im Gebäude haben sich Sicherheitsleute vor der Treppe zu den oberen Etagen postiert. Offenbar mit der Befürchtung verbunden, die Demonstranten könnten in seine Klinik eindringen. Wie sehr die Nerven bei dem Mediziner blank zu liegen scheinen, verdeutlicht auch eine Videokamera, die im zweiten Stockwerk, wo sich Stapfs Praxisräume befinden, vor einem geöffneten Fenster aufgebaut ist. Das Objektiv ist auf die unten stehenden Demonstranten gerichtet. 

In den vergangenen Jahren hatten Lebensschützer immer wieder auf die Tötung tausender ungeborener Kinder in Stapfs ehemaliger Stuttgarter Abtreibungsklinik hingewiesen. Als der Liebhaber schneller Autos und Segeljachten seine bisherige Praxis im Bürgerhospital der Neckarmetropole verlassen mußte, weil die Stadt Eigenbedarf angemeldet hatte, begann seine Suche nach neuen Räumlichkeiten. Weil die Lebensschützer nicht müde wurden, potenzielle Vermieter auf die umstrittenen Geschäfte Stapfs hinzuweisen, gestaltete sich die Anmietung neuer Räume für die Klinik als schwierig. So schwierig, daß der Arzt schließlich seinen seit 1991 bestehenden Standort in Stuttgart aufgab. 

Stapf konzentrierte sich fortan auf seine Münchner Klinik im Stadtteil Westend. Bis auch hier sein Mietvertrag voriges Jahr auslief und nicht verlängert wurde. Ausgerechnet der Münchner CSU-Schatzmeister Hans Hammer hat ihm nun neue Räumlichkeiten in München-Freiham vermietet. Für viele Christsoziale ein unhaltbarer Zustand. Spricht sich die CSU doch nach wie vor gegen Abtreibungen aus. Mehrere CSU-Bundestagsabgeordnete übten Kritik. Auf der Veranstaltung war hingegen niemand von ihnen zugegen. 

„Wer soll der CSU noch glauben, dass sie sich hinter den Schutz des Lebens auch der ungeborenen Menschen stellt, wenn ein prominentes Parteimitglied sein Geld mit der Vermietung an einen Abtreiber verdient, den CSU-Politiker früher schon als ‘Fließbandabtreiber’ bezeichnet haben“, kritisiert Lambrecht, die vor einer „Kultur des Wegschauens“ warnt. Wer hier jedoch wegsehe, der könne eine Mitverantwortung nicht abstreiten. 

Friedrich Stapf gilt Abtreibungsbefürwortern wie Gegnern als Symbolfigur. Entsprechend politisch eingefärbt sind die Berichte in den großen Medien. Von Haß- und Hetzkampagnen christlicher Fundamentalisten gegen den Abtreibungsarzt ist die Rede. Doch davon ist auf der Mahnwache nichts zu spüren. Argumente statt Aggressionen bestimmen den Ablauf. „Es lief alles vorbildlich und friedlich ab“, bestätigen anwesende Polizeibeamte auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT. 

Lediglich eine handvoll Gegendemonstranten aus der linksradikalen Szene fallen mit obszönen Zwischenrufen auf, die sie während der Reden in die Menge schreien. Die CDL-Vorsitzende reagiert gelassen. „Ich freue mich, daß Ihre Eltern Sie nicht abgetrieben haben“, entgegnet sie süffisant.