© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/16 / 08. Juli 2016

Über achtzig Prozent Arbeitslose ohne Ausbildung
Asylanten auf dem Stellenmarkt: Der „Integrationsmonitor“ des Instituts der deutschen Wirtschaft zeichnet ein ernüchterndes Bild der Lage
Christian Vollradt

Angela Merkels inzwischen legendärem Satz „Wir schaffen das!“ widerspricht Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), nicht; allerdings ergänzt er ihn mit einem kleinen Zusatz, der durchaus einschränkend verstanden werden kann: „Wir schaffen das um so erfolgreicher, je eher die Flüchtlinge in die Erwerbsarbeit kommen.“ Und genau dafür müßten ein paar Bedingungen erfüllt werden, machte Pellengahr am vergangenen Donnerstag bei der Vorstellung des ersten sogenannten Integrationsmonitors klar, den das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der INSM erstellte. Jedes halbe Jahr will das IW künftig seine Untersuchungen hierzu veröffentlichen, wesentliche Punkte sind dabei der Zugang zum Arbeitsmarkt, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Asylanten, ihre Arbeitslosenquote sowie ihre Qualifikationen und die Einschätzung der Unternehmen hinsichtlich ihrer Integration in den Arbeitsmarkt. 

Dabei beschränken sich die Kölner Wissenschaftler allerdings auf diejenigen „Schutzsuchenden“, die eine sichere Bleibeperspektive haben und fast ausnahmslos ein Aufenthaltsrecht erhalten. Das sind in erster Linie Asylbewerber beziehungsweise Bürgerkriegsflüchtlinge aus den Krisenstaaten Syrien, Irak, Afghanistan und Eritrea, die mittlerweile knapp drei Viertel aller Asylbewerber in Deutschland stellen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten aus diesen vier Hauptherkunftsländern sei von 35.200 im Januar 2014 auf 53.300 im März 2016 gestiegen, so Studienleiter Axel Plünnecke. Fast die Hälfte von ihnen (46,6 Prozent) arbeitet in sogenannten Helferberufen. Nur rund 4.700 Flüchtlinge habe man als Fachkräfte einstufen können. Nur 300 dieser Einwanderer seien als Experten (Akademiker) in der Industrie eingestellt (Ingenieure, Informatiker), knapp 1.800 Personen in akademischen Gesundheitsberufen. „Den syrischen Arzt gibt es wirklich“, betonte Plünnecke, unter den ausländischen Ärzten in Deutschland rangierten die Syrer auf Platz 5. 

Weitaus stärker noch als die Beschäftigung nahm jedoch die Arbeitslosigkeit unter den Immigranten zu. Anfang 2014 waren 33.800 Personen aus den vier Herkunftsländern ohne Arbeit, mittlerweile sind es mit 123.500 viermal so viele. Daran wird sich so schnell nichts ändern, unter anderem, weil 81 Prozent der arbeitslosen Flüchtlinge keine Berufsausbildung haben. Das IW sieht das jedoch nicht als so dramatisch an: Nach rund 14 Jahren Aufenthalt in Deutschland könnten die ehemaligen Flüchtlinge in puncto Erwerbstätigkeit aufholen. „Die hohen Arbeitslosenzahlen können vor diesem Hintergrund auch dahingehend interpretiert werden, daß die Flüchtlinge nun zunehmend am Arbeitsmarkt ankommen“, heißt es dazu in der Stellungnahme der Wirtschaftswissenschaftler. 

32 Prozent der 540 vom IW befragten Unternehmen sehen in den Flüchtlingen „ein zumindest geringes Potential zur Deckung ihres künftigen Personalbedarfs. Weitere 14,5 Prozent sehen ein mittleres, 5,1 Prozent sogar ein großes Potential. Allerdings planen nur 8,6 Prozent aller Unternehmen, in den kommenden sechs Monaten Flüchtlinge einzustellen beziehungsweise beschäftigen sie bereits. 

„Um keine Zeit bei der Integration zu verlieren, sollte die Verfahrensdauer zwischen Ankunft der Flüchtlinge und Entscheidung über den Asylantrag für alle Flüchtlingsgruppen maximal drei bis sechs Monate betragen“, forderte Plünnecke. Nach Ansicht der INSM wirke sich auch die Wohnsitzauflage negativ aus. Haupthemmnis für die Integration und damit Einstellungshürde sind nach Ansicht der befragten Unternehmer noch vor der geringen Qualifikation der Neuankömmlinge ihre fehlenden Deutschkenntnisse. Der Unterschied zu gesteuerter Arbeitsmigration ist nicht zuletzt daran ablesbar. Denn: „Die Menschen flüchten nicht, um unsere Arbeitsmarktprobleme zu lösen.“

Unterdessen berichtete die FAZ, daß die 30 größten Dax-Konzerne zusammen 54 Flüchtlinge eingestellt hatten, 50 allein die Post. Auf den nächsten Integrationsmonitor des IW, der voraussichtlich im Dezember erscheint, wird man also gespannt sein dürfen.