© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/16 / 15. Juli 2016

Seid einig, einig, einig
AfD: An der Basis wächst der Druck, die Querelen an der Parteispitze zu beenden
Christian Dorn / Christian Vollradt

Der Showdown bleibt aus. Beim Landesparteitag der AfD Brandenburg in Kremmen bei Oranienburg wird am vergangenen Wochenende die Harmonie betont und gute Miene zum bösen Spiel gemacht, als die Parteivorsitzende Frauke Petry zu Gast bei ihrem innerparteilichen Antipoden Alexander Gauland war. Die Basis ist begeistert vom Gast aus Sachsen. Daß auch Petry ihren Anteil an der Eskalation der „Affäre Gedeon“ und schließlich der Spaltung der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg hat (JF 28/16), ist unter den Delegierten des Landesparteitages kein Thema. Im Zweifelsfall, äußern einige gegenüber Journalisten, müsse Petrys Co-Vorsitzender Jörg Meuthen die Partei verlassen, der „einen ganz schönen Schaden angerichtet“ habe. 

Dabei weiß der die überwiegende Mehrheit des Bundesvorstands hinter sich, die Meuthens 14köpfige Gruppe „Alternative für Baden-Württemberg“ als parlamentarischen Arm der AfD in Stuttgart anerkannt hatte; und nicht – wie Petry – die Rumpffraktion der acht AfD-Mitglieder, die sich Meuthens Vorgehen gegen den  Abgeordneten Wolfgang Gedeon widersetzt hatten. Der war schließlich am späten Dienstag abend vergangener Woche nach der aufsehenerregenden Intervention Petrys „freiwillig“ aus der Fraktion ausgeschieden, was an der Basis Petrys Ruf als Krisenmanagerin untermauerte.

Aber nicht bei allen. Im Gespräch äußert sich ein AfD-Delegierter, er sei „sehr unglücklich“ über Petrys Verhalten, sei doch die Partei gerade dabei, sich zu zerlegen. Explizite Kritik wird jedoch kaum geübt. Lediglich Petrys Gegenspieler und Stellvertreter, Gastgeber Alexander Gauland, der ihren Anspruch auf die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl vor einigen Wochen in Frage stellte und damit die derzeitigen Spannungen mit verursacht haben dürfte, äußert deutliche Kritik an der Grenzüberschreitung beim Thema Antisemitismus, für den es in der Partei keinen Platz geben dürfe. Während er – ohne Petrys Namen explizit zu nennen – die Vorgänge in Baden-Württemberg um Wolfgang Gedeon unter mächtigem Beifall scharf verurteilt, sind Petry und Pretzell bezeichnenderweise abwesend. Später, als das Thema nochmal aufkommt, demonstriert Petry ihr Desinteresse, spielt am Smartphone herum und klatscht nur ganz kurz, als höre sie gar nicht zu. Doch dürften der donnernde Applaus und die Ovationen, die Gauland erhält, für sie nicht zu überhören gewesen sein. 

Junge Alternative distanziert sich von Identitären

Welches Ungemach die ganze Geschichte in sich birgt, zeigt die dramatische Entwicklung über das Wochenende. Hatte Gauland in seiner Rede noch davor gewarnt, daß bis zur nächsten Wahl noch ganz andere Versuche unternommen würden, um die Partei zum Objekt des Verfassungsschutzes zu machen, war einen Tag später die vielfache Forderung danach bereits Thema der tonangebenden Medien. Doch in Kremmen ist diese Gefahr weit weg. Stattdessen berauschen sich die meisten Delegierten an den bevorstehenden Einzügen in die Landesparlamente von Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sowie an der Rede ihrer Bundesvorsitzenden Frauke Petry. 

Auch die von Petry später verlesene gemeinsame Erklärung von ihr und ihrem Co-Sprecher Jörg Meuthen, in der beide versichern, die Partei auch weiterhin gemeinsam führen zu wollen und dem Auftrag der Sachpolitik die persönlichen und interne Belange unterzuordnen, läßt nicht erkennen, wie das existentielle Problem in Baden-Württemberg gelöst werden soll. Von den in Kremmen Anwesenden wird die Botschaft jedoch für bare Münze genommen – etwas anderes bleibt ihnen auch kaum übrig, wollen sie die Freundschaftszeremonie nicht zerstören.

Nüchterner zeigt sich Georg Pazderski, Bundesvorstandsmitglied und wahlkämpfender Spitzenkandidat in Berlin. „Ob sich das Verhältnis von Petry und Meuthen je wieder kitten läßt, weiß ich nicht“, sagte er im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. „Wichtig ist: wir haben einen Auftrag von unseren Mitgliedern. Und die erwarten, daß jeder im Vorstand im Dienst der Sache professionell zusammenarbeitet.“ Ein Sonderparteitag zur Lösung der Personalquerelen sei „im Moment keine Option“, versicherte er. Dies habe eine lange und konstruktive Telefonkonferenz des Vorstands, an der auch Frauke Petry und Jörg Meuthen teilgenommen hätten, ergeben. „Ich bin im Moment relativ zuversichtlich, daß wir zu einer konstruktiven Lösung kommen“, so Pazderski. Frauke Petrys Einmischung in Stuttgart war in seinen Augen eine Überreaktion. Aber: „Da war sicherlich viel guter Wille im Spiel, auch wenn es anders aufgefaßt wurde.“ Auch sein im Wahlkampf befindlicher Kollege Leif-Erik Holm aus Mecklenburg-Vorpommern äußerte die Hoffnung, daß nun alle wieder „an einem Strang ziehen“.

Unterdessen hat zwei Wochen nach der „Mutterpartei“ auch der Bundesvorstand der Jungen Alternative (JA) einen Unvereinbarkeitsbeschluß mit der Identitären Bewegung (IB) gefaßt (siehe nebenstehendes Interview). Dieser Schritt sei „keine Taktiererei, um den Verfassungsschutz zu besänftigen, sondern auch inhaltlich richtig“, heißt es darin. Man wolle sich nicht von der IB instrumentalisieren lassen, die Abgrenzung sei daher eine Präventionsmaßnahme. Außerdem habe man „eine ethische Pflicht und Verantwortung vor unseren Mitgliedern“, von denen viele „Beamte, Polizisten oder Soldaten“ seien, „die nicht länger bei uns bleiben könnten“, wenn sich der AfD-Jugendverband nicht deutlich genug abgrenze.