© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/16 / 15. Juli 2016

Humor ist verdächtig
Asylkrise: Amadeu-Antonio-Stiftung beäugt das Netz
Martin Voigt

Haß und Wut gegen Flüchtlinge präge seit der Asylkrise den öffentlichen Diskurs sozialer Medien, warnt die Amadeu-Antonio- Stiftung in ihrer neuen Broschüre „Hetze gegen Flüchtlinge in sozialen Medien – Handlungsempfehlungen“ (JF 28/16). Die Schrift aus dem Hause der ehemaligen Stasi-Zuträgerin („IM Victoria“) Anetta Kahane will darüber aufklären, wie man Haßkommentare „überhaupt erkennen“ kann, denn das sei gar nicht so einfach. Wer die Hetze identifiziert hat, lernt im nächsten Schritt „viele verschiedene Möglichkeiten“ kennen, dem „Haß zu begegnen: Löschen, Blocken, Ignorieren, Diskutieren, Gegenrede, Strafverfolgung“.

Emotionaler Haß werde meist als rationale Argumentation verpackt. Daher gibt es zu Beginn eine Auflistung der häufigsten Formen dieser unterschwelligen „rassistischen Hetze“: Verdächtig macht sich, wer die polarisierenden Wörtchen „wir“ und „die“ gebraucht und so Flüchtlinge ausgrenzt. Ein Indikator für Rassismus seien auch Pauschalisierungen wie „Flüchtling = Muslim“ oder „Projektionen von gesamtgesellschaftlichen Problemen wie Sexismus, Kriminalität oder Wohnungsmangel“ auf Asylbewerber. „Lügen über Geflüchtete und angebliche Kriminalität, Gewalt, Vergewaltigungen, gefälschte Behördendokumente“ oder Beschwerden über „die Lügenpresse“ seien ebenso ein deutlicher Hinweis. Haß äußere sich auch in Abwertungen wie „Wirtschaftsflüchtling“, denn diese suggerierten, „daß das Grundrecht auf Asyl hier von Menschen ausgenutzt werde, die nur aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen, nicht, weil sie Schutz vor Verfolgung suchen.“ Darüber hinaus werde rassistische Hetze oft auch als Satire oder Humor getarnt.

„Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer frei!“

Die Empfehlungen der Stiftung knüpfen an die Verhaltensrichtlinien der sozialen Onlinenetzwerke an. Der Leser erfährt, wie er den Beitrag eines „Hetzers“ den Betreibern der Plattform melden kann. „Die gemeldete Person wird nie erfahren, wer sie gemeldet hat“, betonen die Autoren.

Das Kernstück der Broschüre ist die ausformulierte Vorlage einer Strafanzeige, in die nur noch der Name des Beschuldigten und die Straftat eingetragen werden muß. Dazu werden die wichtigsten Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch zur Volksverhetzung, Beleidigung und Billigung von sowie Aufforderung zu Straftaten erläutert. Wer als Anzeigender nicht namentlich in Erscheinung treten will, könne der Staatsanwaltschaft die Anzeige über einen „Fake-Account“ zuschicken.

Um eine Autorin der Broschüre, Julia Schramm, ist auf Twitter eine Diskussion entbrannt. Die frühere Piratenpolitikerin und „Fachreferentin für Hatespeech“der Amadeu-Antonio-Stiftung fiel in der Vergangenheit selbst durch Kommentare auf, die den erwähnten Straftaten entsprechen. Anläßlich des Jahrestags der Bombardierung Dresdens twitterte die junge Frau, die sich inzwischen für die Linkspartei engagiert: „Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer frei!“ und „Bomber-Harris, Flächenbrand – Deutschland wieder Ackerland!“ 

Die Broschüre soll „Haßredner und ihre Codes identifizieren“ und „Anregungen zum Widerspruch“ geben, schrieb Justizminister Heiko Maas in seinem Geleitwort. Der Minister zählt die Amadeu-Antonio-Stiftung zu seiner „Task Force“ gegen rassistische Hetze. Unter dem Motto „Handeln statt zusehen“ empfehlen den Leitfaden auch das Bundesinnenministerium (BMI) und das Bundeskriminalamt.

„Rechtsextreme geben sich bürgerlichen Anstrich“

Mehrere Nutzer nahmen den Minister beim Wort und meldeten die Äußerungen Schramms in einer Vehemenz, daß sich das BMI genötigt sah, auf seinem Twitter-Profil Stellung zu beziehen: „Einige der von ihr verfaßten Tweets überschreiten tatsächlich auch für uns die Grenze zur Haßrede. Von diesen Aussagen distanzieren wir uns.“

Die Broschüre wurde mit 1.000 Euro aus dem Bundesfamilienministerium unterstützt. Für weitere Projekte der Amadeu-Antonio-Stiftung flossen im Zeitraum 2012 bis 2016 knapp 1,8 Millionen Euro, sagte ein Sprecher der JUNGEN FREIHEIT.

„Rechtsextreme geben sich gerne und sehr strategisch einen bürgerlichen Anstrich“, warnen die Autoren. „Eine besondere Rolle spielen dabei rechtsextreme weibliche Nutzerinnen, die über Themen wie Kindererziehung, Familie und Sexualitätsvorstellungen sprechen und andere Frauen so in rechte bis rechtsextreme Strukturen bringen.“ Zudem würden rechtspopulistische Parteien und Medien wie die JUNGE FREIHEIT „den Haß auf Geflüchtete in Sozialen Netzwerken“ sogar strategisch befeuern.

Um so wichtiger sei der Selbstschutz, dem ein eigenes Kapitel gewidmet wird. Zivilcourage helfe niemandem, wenn die Gesundheit leide. Deswegen sei es ratsam, auch mal das Internet auszuschalten. „Freund_innen treffen, ein Buch lesen oder ins Kino gehen“ helfe, auf andere Gedanken zu kommen. So könne man sich vergewissern, „daß die Welt nicht nur schlecht ist“. Für schlimmere Fälle rät die Amadeu-Antonio- Stiftung zu professioneller Hilfe bei Psychologen und Beratungsstellen.