© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/16 / 15. Juli 2016

Köln und Leverkusen trennen Welten
Müllgebühren-Studie: Gewaltige Unterschiede zwischen den deutschen Städten / Flensburg, Mainz und Chemnitz günstig / Einsparpotentiale vorhanden?
Christian Schreiber

Köln und Leverkusen trennt nur der Rhein, der rechtsrheinische Stadtbezirk Mülheim grenzt sogar direkt an die Bayer-Heimat. Die zusammen 1,2 Millionen Einwohner verbindet die typische „kölsche Mundart“. Geht es jedoch um die Müllgebühren, trennen die beiden Rheinmetropolen allerdings Welten: Während der Kölner für einen siebentägigen Müllservice 394,02 Euro jährlich zahlt, muß der Leverkusener für den gleichen Vollservice 908,85 hinblättern.

Das geht aus einem Vergleich der 100 größten deutschen Städte durch das Forschungsunternehmen IW Consult hervor. Auftraggeber der Studie war der Eigentümerverband Haus & Grund, der umgehend eine Anpassung der Entsorgungskosten forderte. „Die Müllabfuhr muß nicht teuer sein. Das beweisen die Top-Städte unseres aktuellen Müllgebührenrankings“, stellte Präsident Kai Warnecke fest. In der Studie wurden die Kosten der Müllabfuhr für eine vierköpfige Familie unter Berücksichtigung des Abholrhythmus und des Serviceumfangs miteinander verglichen. „Zwischen der günstigsten und teuersten Stadt liegen 600 Euro im Jahr. Dafür gibt es Gründe, die die Kommunen jetzt dringend analysieren müssen“, forderte Warnecke. Er betonte, daß keine Stadt an den Pranger gestellt werden solle. Die Studie solle Motivation sein, den Bürgern künftig eine gleiche Servicequalität zu niedrigeren Preisen anzubieten.

Zwischen den Müllgebühren der bundesweit billigsten Stadt Flensburg (147,27 Euro) und Spitzenreiter Leverkusen liegen im Extremfall sogar 761,58 Euro im Jahr. Die Daten stammen hauptsächlich aus den Satzungen der Städte. Bei einem Großteil der Kommunen legten die Autoren auch Schätzungen zugrunde, um einen Vergleich der unterschiedlichen Tarifgruppen zu ermöglichen. Das Bundeskartellamt hatte 2015 begonnen, die Müllgebühren in Deutschland zu prüfen, eine Entscheidung steht allerdings noch aus. Die Wettbewerbsbehörde sieht Anzeichen dafür, daß der Wettbewerb in der Müllbranche kaum funktioniert. Vor allem in den bevölkerungsreichen Bundesländern stechen zum Teil frappierende Unterschiede ins Auge. Nirgendwo ist der Müll so teuer wie in Leverkusen. Bei wöchentlicher Abholung zahlt dort eine Familie im Teilservice 739,29 Euro im Jahr. Hier stellt der Besitzer die Mülltonnen selbst an die Straße.

Komplexe Kombination verschiedener Bestandteile?

Besonders teuer ist es in Nordrhein-Westfalen außerdem in Moers, Bergisch Gladbach und Lünen. Auch Düsseldorf, Köln und Mönchengladbach haben eher hohe Gebühren. Am niedrigsten sind die NRW-Müllgebühren in Solingen, hier liegen sie bei 172,34 Euro, und das sogar im Vollservice – also wenn die Mülltonnen durch den Entsorger vom Grundstück abgeholt, entleert und wieder zurückgestellt werden. Relativ günstig kommen auch Eigentümer in Ratingen, Essen und Gelsenkirchen weg. In den Ballungszentren des Rhein-Main-Gebietes sind die Gebühren durchgehend günstig. Mainz liegt dabei auf Platz 6 der geringsten Müllgebühren, Wiesbaden auf Platz 15, Frankfurt auf Platz 28 und Darmstadt auf Platz 29.

In Sachsen geht die Schere dagegen weit auseinander. Dort landete Leipzig nur auf Platz 79. Dresdens Müllabfuhr war auf Platz 67 kaum günstiger. Eine echte Spitzenposition nimmt dagegen Chemnitz ein: Die Müllabfuhr in der westsächsischen Stadt ist nach der in Flensburg die zweitgünstigste. Leipzigs Stadtverwaltung kritisierte das Ergebnis der Studie allerdings als „nicht nachvollziehbar“. In Leipzig gebe es nur Teilservice, bei dem die Tonnen bereitgestellt werden. „Somit haben die Werte zum Vollservice keine Relevanz und somit wäre methodisch keine Aussage dazu möglich“, teilte Umwelt- und Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) der Leipziger Volkszeitung mit.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) warb um Verständnis: „Was auf den ersten Blick wie eine leicht vergleichbare Dienstleistung wirkt, ist bei näherer Betrachtung eine komplexe Kombination verschiedener Bestandteile.“ Wie dicht die Gemeinde besiedelt sei, spiele ebenso eine Rolle wie die Größe der Behälter und die Leerungsintervalle, erklärte der VKU. Wichtig sei auch, ob neue Anlagen etwa zur Müllverbrennung noch abgeschrieben und welche Rückstellungen für Deponien gebildet werden müßten.

Haus & Grund-Chef Warnecke konterte diese Vorhaltungen als „nicht sachgerecht“. Es gebe ein großes Einsparpotential zum Nutzen von Mietern und Eigenheimern und um die Attraktivität der Städte zu steigern, resümierte der Verbandschef. Unterstützung erhielt er von Vertretern des Deutschen Mieterbundes. „Es kann nicht sein, daß dieselbe Dienstleistung so unterschiedlich viel Geld kostet. Es bedarf einheitlicher und transparenter Schlüssel, daß der Bürger versteht, wofür er bezahlt.“