© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/16 / 15. Juli 2016

Sind Medien mitschuld an AfD und Pegida?
Netzwerk Recherche: Journalisten diskutieren eigene Fehler und Strategien gegen sogenannte Populisten
Michael Johnschwager

Auch die Leitmedien kommen an der Glaubwürdigkeitskrise der etablierten Verlage und Rundfunkanstalten nicht mehr vorbei. Auf der diesjährigen Konferenz des Vereins Netzwerk Recherche befaßten sich deutsche Journalisten intensiver als sonst mit dem Auseinanderklaffen von öffentlicher und veröffentlichter Meinung. 

Den Auftakt bildete die von Anja Reschke (ARD) moderierte Podiumsdiskussion „Belehren und bekämpfen – oder nur berichten? Die Populisten und die Medien“. Von Beginn an durften sich die Besucher auf Augenhöhe mit den Teilnehmern fühlen. Reschkes Worte haben einen verbindlichen Charakter: „Irgendwie sind wir uns ja alle einig.“ Von Konsens auf ganzer Linie erfaßt, erfuhr das Publikum nun wie diesen Herausforderungen begegnet werden solle. 

Die massive Präsenz von Populisten vom „rechten Rand“ müsse ernstgenommen werden. So der Tenor auf dem Podium, auf dem Patricia Schlesinger (RBB), Jakob Augstein (Freitag), Stefan Niggemeier (Übermedien), Armin Wolf (ORF) und Thomas Krüger (Bundeszentrale für politische Bildung, BPB) teilgenommen hatten. 

Hilflos habe die Branche zugesehen, wie sich die Populisten am rechten Rand sammelten und eine unerwartete Resonanz erzeugen konnten. Dabei hätten die Medien ungewollt Schützenhilfe geleistet. Die jüngsten Äußerungen aus der AfD über die Nationalmannschaft seien bezeichnend für den in der Partei vorherrschenden Geist, betonte Jakob Augstein. 

Beatrix von Storch etwa entlarve sich selbst. Die Zahl ihrer Follower sei überschaubar und für einen jeden sei ersichtlich, „wie bescheuert diese Frau ist“, lästerte der Verleger. Übrigens hat Beatrix von Storch (57.680) bei Facebook weit mehr Freunde als Augstein (42.614). 

Patricia Schlesinger wies darauf hin, daß hinter den Erfolgen ein Prinzip stecke, darauf ausgerichtet, ein Echo zu schaffen. Erst die Medien würden Dinge salonfähig machen.  

Die Runde sah sich einer Diskursverschiebung konfrontiert. Das gilt auch für die kulturelle Hegemonie im Land. Es wurden Parallelen zum US-Wahlkampf in den USA aufgedeckt, wo sich Donald Trump über alle Regeln mit ungeahntem Erfolg hinwegsetze. 

Medien ratlos angesichts rechter Wahlerfolge

Die Populisten verstünden sich darauf, eine Empörungswelle auszulösen, von der sie eine Zeitlang erfolgreich mitgetragen würden. Armin Wolf führte hier den langjährigen Kärtner Regierungschef Jörg Haider an. 

Die Erfahrung lehre jedoch: Populisten entzaubern sich spätestens in der Regierung. Der dem deutschen Publikum als Moderator von ZIB2 bekannte Wolf warnte die Runde vor dem Risiko, sich instrumentalisieren zu lassen. 

Gleichzeitig plädierte er dafür, neue Politiker in Sendungen einzuladen. Er orientiert sich am BBC-Grundsatz: to inform, to educate, to entertain (informieren, erziehen, unterhalten). Um gegen etwaige Widrigkeiten gewappnet zu sein, bereite er seine Interviews akribisch vor. Sein leidenschaftlich vorgebrachtes Postulat lautet denn auch: Vorbereiten, vorbereiten, vorbereiten.  

So ähnlich argumentierte Thomas Krüger: Um sich dem Populismus entschieden in den Weg zu stellen, müßten Journalisten mit argumentativem Rüstzeug bewehrt sein. Bevor Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, müsse am Anfang eine gründliche Analyse der Ausgangssituation stehen. Dreh- und Angelpunkt sei die Sprachverwendung. Es gelte eine moralische Geschichte festzuschreiben und zu verbreiten. Medien sollten quasi eine Front bilden, forderte Krüger. Selbstkritik klingt anders. 

Daß die großen Medien allerdings eine gehörige Portion Mitschuld am Aufstieg der angeblichen „Populisten“ tragen, gestand am Rande des Jahrestreffens Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo ein. Viele Journalisten müßten sich vorwerfen lassen, zu Mitgestaltern der Flüchtlingsbewegung geworden zu sein, statt sich auf die Beobachterrolle zu konzentrieren, monierte di Lorenzo. Auch ein „Willkommen“-Titel des eigenen Blattes habe keine Zurückhaltung erkennen lassen. 

Daß etwa die Bild-Zeitung den linken „Refugees welcome“-Slogan übernahm, wunderte den Chefredakteur. „Da fand das Vorurteil Bestätigung, daß wir mit der Macht, mit den Eliten unter einer Decke stecken.“ Wie dünn das Nervenkostüm mancher Journalisten mittlerweile ist, zeigte auch eine Diskussion mit JF-Chefredakteur Dieter Stein über die JUNGE FREIHEIT. Als Stein darauf hinwies, daß es sich bei der Mehrzahl der „Flüchtlinge“ in Wirklichkeit um „illegale Einwanderer“ handele, brach Unruhe aus. Ob er sich so etwas anhören müsse, fragte ein Zuhörer. Ein taz-Journalist forderte, Stein am besten nicht mehr einzuladen. Frei nach dem Motto: Diskussion lohnt nur, wenn alle die gleiche Meinung haben.