© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/16 / 15. Juli 2016

Sturmfest, erdverwachsen, nachdenklich
Eine sehenswerte ZDF-Dokumentation beleuchtet die Geschichte der Welfen und stellt den Erbprinzen des Hauses vor
Christian Vollradt

Gekrönte Häupter sind für Fernsehmacher in der Regel eine sichere Bank. Selbst in den republikanischen Deutschen liegt offenbar eine Sehnsucht nach Glanz, Glamour und Tradition, die nur eine Monarchie stillen kann. 

Das Angebot und die Nachfrage an Sondersendungen bei entsprechenden Anlässen im Ausland – Hochzeiten, Taufen, Krönungen, Jubiläen, Beerdigungen – sprechen Bände. Pünktlich zur politischen Sommerpause bringt das ZDF nun seine dreiteilige Reihe „Königliche Dynastien“ und startet sie mit einer Dokumentation über die Welfen. Das älteste Fürstenhaus Europas bietet alles, was sich Bewunderer und Verächter des Hochadels nur wünschen können: eine lange Geschichte mit Siegen und Niederlagen, Machteroberungen und -verlusten, Verrat und Intrigen. 

Daß eine so ereignisreiche und wechselvolle Geschichte in einer Dreiviertelstunde Film nur gestreift werden kann, liegt auf der Hand. Annette von der Heydes Dokumentation beschränkt sich hier auf einzelne Schlaglichter, was leider zu Lasten historischer Tiefe geht. Das gilt für Heinrich den Löwen als mächtigen (und schließlich entmachteten) Herzog, für die Zeit der Personalunion mit Großbritannien und die preußisches Annexion des Königreichs Hannover. Spezifisch welfische Phänomene wie die Zersplitterung in konkurrierende Linien fallen dabei unter den Tisch.

Ausführlicher befaßt sich die Sendung mit der Rolle des jungen Erbprinzen Ernst August, dem in London aufgewachsenen ältesten Sohn von Hauschef Ernst August (senior). Der Vater hat dem Junior 2004 die Verwaltung der deutschen Besitztümer übergeben. In jüngster Zeit zeigte sich der Ex-Banker mehr und mehr in der Öffentlichkeit, bei Ausstellungseröffnungen oder Schützenfesten. Nicht zu Unrecht heißt es im Film, das Haus Hannover habe die Nerven seiner Fans in den Jahren zuvor arg strapaziert. Von den Eskapaden und dem unsteten Jetset-Leben des Vaters scheint der Erbprinz weit entfernt zu sein, in den Interviews offenbart er sich nachdenklich. 

Vielleicht nicht die schlechtesten Voraussetzungen für die Aufgabe, die laut Film auf ihn zukommt: die Niedersachsen mit dem Geschlecht seiner Vorfahren wieder zu versöhnen.