© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/16 / 22. Juli 2016

Aufgeschnappt
Neugotisch rechtslastig
Matthias Bäkermann

Wer früher im Ostblock unterwegs war, dem fiel eines auf: Auch wenn vieles marode war, eines konnten die Kommunisten – Ortseingangsschilder. Oft bereits einige Kilometer vorher wiesen gigantomanische Betonklötze mit großer Schrift auf die nächste Stadt hin. Auch auf dem Weg von Süden nach Eisenach prangt seit 1988 eine große Stahlkonstuktion neben der Straße, vom Metallbildhauer Günter Laufer angefertigt. Die kraftvollen gotischen Lettern rosten allerdings seit 28 Jahren nur noch vor sich hin, das ganze Gebilde sieht schäbig aus. Deshalb denkt die Stadt zum Lutherjahr 2017 nun über neue Schilder nach. Richtige Begrüßungstafeln „mit eigenem Corporate Design“ schwebten dem Stadtentwicklungsausschuß vor. 

Wie die Thüringer Allgemeine jüngst meldete, behage Stadtsprecherin Silvia Rost zudem die „altdeutsche Schrift“ nicht, denn diese könne „mißverstanden“ werden und der Stadt ein rechtslastiges Image anheften. Auch wenn inzwischen ein „Förderkreis zur Erhaltung Eisenachs“ Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Linke) das Angebot unterbreitet hat, auf eigene Kosten eine Sanierung zu übernehmen, wird der reaktionäre Wegweiser aus dem Realsozialismus wohl einen politisch korrekten Platz irgendwo innerhalb Eise­nachs zugewiesen bekommen.