© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/16 / 22. Juli 2016

Tiefe Entwaldungsfronten aufgerissen
Chinas Hunger nach Tropenholz frißt den Regenwald in Birma und im Kongo / Lukrativer Raubbau?
Christoph Keller

Daß China für seinen raschen Aufstieg in die Liga der weltwirtschaftlich führenden Nationen einen hohen ökologischen Preis zahlte, weiß man nicht erst seit den notorischen Bildern vom Pekinger Smog. Weniger bekannt jedoch als die Umweltverheerungen im Reich der Mitte selbst sind die Zerstörungen, die Chinas unersättlicher Rohstoffhunger in der asiatischen Nachbarschaft und in Afrika hinterläßt.

Die Umweltjournalistin Christiane Kühl ist bemüht, gerade auf diese im doppelten Sinne „Schattenseiten“ ein Licht zu werfen (Natur, 6/16). Sie konzentriert sich dabei auf den „fatalen Holzhunger“ Chinas, der in Birma (Myanmar) sowie in der Demokratischen Republik Kongo (Zaïre) bereits tiefe „Entwaldungsfronten“ aufgerissen hat. In beiden Regionen, in dem mit Primärregenwald bedeckten Norden Birmas – der an Chinas südwestlichste Provinz Yunnan anschließt und wo es eine chinesische Minderheit gibt – und im Kongobecken, wo die größten noch existierenden Regenwaldgebiete Afrikas liegen, könnten die Voraussetzungen für illegalen Tropenholzeinschlag nicht günstiger sein: Birma und Kongo zählen laut Transparency International zu den 20 korruptesten Ländern der Welt. Eine funktionierende Forstverwaltung und ein ökologisch effizientes, Management existiert weder in dem einen noch in dem anderen notdürftig befriedeten Vielvölkerstaat. In absehbarer Zeit fehlt es zudem in beiden Ländern an Kapazitäten, um dies zu ändern. Und nicht zuletzt ist den Herrschenden wie der Masse der Bevölkerung jedes Umwelt- und damit auch Unrechtsbewußtsein fremd.

Freie Bahn für chinesische Einkäufer und Holzfäller

Allerdings meint Kühl vor allem in Birma einen bescheidenen Gesinnungswandel registrieren zu können. Immerhin verfügte schon das – inzwischen von einer demokratisch gewählten Regierung unter der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi abgelöste – Militärregime 2014 ein Ausfuhrverbot für rohe Baumstämme, nachdem die eigenen Forstbehörden die Einschlagquoten 2013 wieder einmal „routinemäßig“ überschritten und statt der erlaubten 12.000 Teakbäume deren 60.000 hatten fällen lassen. Das Gegensteuern der Militärs konnte den blühenden illegalen Handel über den Landweg offensichtlich kaum eindämmen, da 2014 Palisanderstämme im Wert von 52 Millionen Dollar Richtung China fuhren.

Auf einem Territorium ohne staatliche Autorität und mit einer porösen Grenze stießen chinesische Einkäufer und Holzfäller darum fast ungehindert bis zu 300 Kilometer ins Landesinnere vor. Nach den von Kühl zitierten Angaben der Londoner Environmental Investigation Agency (EIA) sollen trotz dieses Aderlasses noch 50 Prozent Birmas mit Wald bedeckt sein, davon zehn Prozent Primärwald, der im menschenarmen Norden ganze Gebirgszüge überwächst.

Chinas Nachfrage sorgt jedoch für einen jährlichen Rückgang von 185.000 Hektar, zwei Prozent dieser Waldfläche. Soweit davon die Edelholzsorten Padouk und Tamalan betroffen seien, so schätzt die EIA, sei mit deren „kommerziellem Aussterben“ bereits 2020 zu rechnen. Parallel dazu verschwänden, in der südlichen Küstenregion Tanintharyi an der Andamanensee imposante Baumriesen, um nach indonesischem Vorbild Raum zu schaffen für Kautschuk- und Palmölplantagen (JF 16/16).

Haupttreiber des illegalen Einschlags ist das Prestigedenken der expandierenden chinesischen Mittelschicht. Wuchtige Möbelgarnituren aus Palisander gelten wohlhabenden Chinesen als Statussymbol. Ein Modetrend, der China zwischen 2000 und 2013, als sich die Einfuhr von 16 auf 33 Millionen Kubikmeter verdoppelte, zum weltgrößten Importeur illegalen Holzes aufsteigen ließ. 

Wenig erstaunlich, überholte das Reich der Mitte 2012 die bislang im Kongobecken dominierende EU. 2014 agierten dort 20 chinesische Holzunternehmen, darunter acht Staatsfirmen, auf die drei Viertel der Einschlagquote entfielen. Wie Greenpeace-Ermittlungen ergaben, vertreiben drei Firmen sogar „erwiesenermaßen illegales Holz“. Belege, die aber lediglich die „Spitze des Eisbergs“ zeigen, da Zolldaten weit größere Exportvolumina dokumentierten, eine Diskrepanz, die sich im korrupten Kongo-Staat leicht vertuschen lasse.

Umdenken bei der chinesischen Forstbehörde?

Ignoriere der große Nachbar das birmesische Exportverbot, weil der Tropenholzhunger groß sei und die ebenfalls korrupten Behörden Chinas kein Interesse hätten, die illegale Herkunft der Stämme zur Kenntnis zu nehmen, deuten sich für Kühl gegenüber der Kongo-Republik neuerdings mehr ökologische Sensibilität an. Im Dezember 2015 habe China mit 50 afrikanischen Staaten erstmals eine Vereinbarung zur Kooperation im Kampf gegen illegalen Handel mit Flora und Fauna unterzeichnet.

Parallel dazu scheine ein 2014 ausgerufener Feldzug gegen Korruption in China Erfolge zu zeitigen: So wollen korrupte Kader nicht mehr durch Luxuswohnungen, Rolex-Uhren und eben Palisanderholzsitzecken auffallen. Die Edelholzpreise brachen daher im Sommer 2015 ein, in Yunnans Zwischenlagern stapele sich Palisanderholz, die Nachfrage stocke. Was bei Chinas Forstbehörde ein Umdenken angestoßen habe, wie die EIA registriert. Vor zwei Jahren hätten die Offiziellen das Problem des illegalen Edelholzimports noch geleugnet: „Jetzt hören sie uns zu, fragen sogar um Rat.“

EIA-Studie  zum Tropenholzhandel („Organised Chaos: The illicit overland timber trade between Myanmar and China“):  eia-international.org