© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

Syrer machen Terror
Selbstmordanschlag in Ansbach: Behörden schoben polizeibekannten Täter nicht ab
Henning Hoffgaard

Gegen 22 Uhr am vergangenen Sonntag ist es soweit. Deutschland erlebt das erste islamistische Selbstmordattentat. Ohne Vorwarnung sprengt sich der abgelehnte Asylbewerber Mohammad D. im fränkischen Ansbach vor den Toren eines Musikfestivals in die Luft. 15 Menschen werden verletzt, vier davon schwer. Der Attentäter kommt ums Leben. In seinem Rucksack findet die Polizei später Metallteile, die offenbar die Explosionswirkung verstärken sollten. Über das Motiv dagegen wird nur kurz gerätselt. Während ein Sprecher des Bundesinnenministeriums noch am Montag sagt, es gäbe noch „keinen belastbaren Hinweis“ auf einen islamischen Hintergrund, kann der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bereits Tatsachen verkünden. In der Asyl-unterkunft des Terroristen findet die Polizei genügend „belastbare Hinweise“. 

Unter anderem Material und Werkzeuge zum Bau weiterer Bomben. Auf dem Laptop finden die Ermittler salafistisches und anderes radikalislamisches Propagandametarial. Darunter ein Handyvideo, in dem der Syrer einen „Racheakt im Namen Allahs“ ankündigt und sich zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ bekennt. Die nennt ihn dann auch einen „Soldaten“ in ihrem Dienst und veröffentlicht sein Foto. Eigentlich hätte Mohammad D., der vor zwei Jahren nach Deutschland einreiste, gar nicht mehr im Land sein dürfen. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, eine geplante Abschiebung nach Bulgarien konnte bis zum Anschlag nicht umgesetzt werden. 

Der Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Harald Weinberg hatte die Stadt Ansbach gebeten, die Abschiebung des Syrers wegen Gesundheitsproblemen auszusetzen. Dabei geht es offenbar um zwei Selbstmordversuche, die jedoch lediglich „oberflächliche“ Verletzungen zur Folge hatten. Am Ende erhielt er von den Behörden eine „Duldung“. Der Polizei war der 27jährige längst wegen Drogen- und Nötigungsdelikten bekannt. Nun ist es an der Bundesanwaltschaft zu prüfen, ob sich der Attentäter selbst in die Luft sprengen wollte oder den Sprengsatz auf dem Festival fernzünden wollte. Zwar deutet die Konstruktion der Bombe nicht auf einen Selbstmordanschlag hin, doch letzte Klarheit könnte nur der tote Attentäter schaffen. Der zweite islamistische Terroranschlag nach der Axt-Attacke in Würzbürg (siehe Infokasten) läßt die Bundespolitik weitgehend ratlos zurück. „Unser Rechtsstaat ist stark und bleibt stark“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Die Deutschen sollten „achtsam sein, aber nicht ihr Verhalten ändern“ – ein Widerspruch in sich.  Zumindest eines dürfe nun nicht passieren: „Wir dürfen Flüchtlinge nicht unter Generalverdacht stellen, auch wenn es in einzelnen Fällen Ermittlungsverfahren gibt“, betonte der CDU-Politiker.

Terrorverdacht gegen    Hunderte Asylbewerber

Der Bundestagsabgeordnete und CDU-Innenexperte Armin Schuster wurde da schon deutlicher. „Wir brauchen eine Abschiedskultur“ mit Blick auf die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verordnete Willkommenskultur. Auch der wahlkämpfende Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) schlug scharfe Töne an: „Niemand darf sich etwas vormachen: Wir haben offenbar einige völlig verrohte Personen importiert, die zu barbarischen Verbrechen fähig sind, die in unserem Land bislang kein Alltag waren. Das muß man klar und tabulos benennen.“ Wie groß das Beben im politischen Berlin nach den Terrorattacken von Würzburg und Ansbach war, zeigt sich an der Linkspartei. In einer bemerkenswerten Stellungnahme ging die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Sahra Wagenknecht auf Distanz zur Asylpolitik der Kanzlerin. „Die Ereignisse der letzten Tage zeigen, daß die Aufnahme und Integration einer großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern mit erheblichen Problemen verbunden und schwieriger ist, als Merkels leichtfertiges ‘Wir schaffen das’ uns im letzten Herbst einreden wollte.“ Wagenknecht wünscht esich deswegen: Die Menschen müßten „sich wieder sicher fühlen können“. 

Daß die Bürger so schnell nicht mehr in Sicherheit sein werden, zeigen dagegen Zahlen des Bundeskriminalamtes. Laut der Behörde liegen derzeit 410 Hinweise auf terroristische Aktivitäten von Asylsuchenden vor. Im Mai lag diese Zahl noch bei 369. In 60 Fällen leiteten die Behörden Ermittlungsverfahren ein. Die Grünen dagegen haben ganz andere Sorgen. Jetzt die „Willkommenskultur“ in Frage zu stellen hieße „Millionen von Helfern vor den Kopf zu stoßen und Flüchtlinge pauschal zu stigmatisieren“, warnte Parteichefin Simone Peter. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums forderte AfD-Chefin eine verstärkte Kontrolle von Asylsuchenden. Was die Gesellschaft hätte tun können, um Taten wie in Ansbach, Reutlingen oder Würzburg zu verhindern, könne nicht die einzige angemessene Frage sein, sagte sie der JUNGEN FREIHEIT „Wie wäre es denn mit Grenzkontrollen? Was soll noch passieren, bis wir anfangen zu überprüfen, wer bei uns ins Land kommt.“ 

Wie angespannt die Situation in Deutschland derzeit ist, zeigte sich wenige Stunden vor der Ansbacher Terrornacht. In Reutlingen hatte ein Mann auf offener Straße eine schwangere Frau mit einem Dönermesser ermordet und danach fünf Passanten verletzt. Erst als ein Autofahrer den Täter umfuhr, konnte der Amoklauf gestoppt werden. Schnell hieß es auch hier: „Terror“. Wie beim Ansbacher Attentäter handelte es sich auch hier um einen syrischen Asylbewerber mit dem Namen Mohammed, der unter anderem wegen Körperverletzung und Drogendelikten polizeibekannt war und dennoch nicht hinter Gittern saß. Auch er soll „psychische Probleme“ gehabt haben. Die Polizei geht derzeit von einer Beziehungstat aus. Also kein islamistischer Terror. Nur Alltagsterror. 





Ermittlungen zum Würzburg-Attentat

Mehr als eine Woche nach dem islamistischen Terroranschlag durch einen Asylbewerber in einem Zug in Würzburg befinden sich die fünf verletzten Opfer nach Angaben der Ärzte auf dem Weg der Besserung. Sie waren von einem mit Axt und Messer bewaffneten Asylbewerber attackiert worden. Der Angreifer wurde von der Polizei erschossen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit nicht gegen die SEK-Beamten, die den Täter stoppten.  „Eine deutlichere Notwehr-Situation kann man sich nach meiner Ansicht gar nicht vorstellen“, sagte der zuständige Staatsanwalt. Hintergrund ist eine Äußerung der Grünen-Politikerin Renate Künast, die unmittelbar nach der Attacke anklagend gefragt hatte: „Wieso konnte der Angreifer nicht angriffsunfähig geschossen werden?“ Ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums kündigte an, die Zahl der SEK-Einheiten im Freistaat werde erhöht. Unklar ist, ob der angeblich 17 Jahre alte Attentäter wirklich aus Afghanistan stammt. Laut Experten deutet sein Dialekt auf eine pakistanische Herkunft hin. Afghanen haben höhere Asylchancen als Pakistanis.