© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

„Das war erst der Anfang“
Im Gespräch: Der Polizeiexperte Jan Timke zum Terror in Deutschland
Hennig Hoffgaard

Herr Timke, die Anschläge von Ansbach und Würzburg schockieren Deutschland. Sollten sich die Deutschen an den Terror gewöhnen?

Timke: Ja, das steht leider zu befürchten. Gerade erst hat die Polizeibehörde Europol gewarnt, daß es in Europa mittlerweile mehrere hundert radikale Islamisten gebe, die bereit seien, Terroranschläge zu verüben. Deutschland steht neben Frankreich im Fokus der Extremisten, was durch die schrecklichen Anschläge der jüngsten Zeit auch der breiten Öffentlichkeit bewußt geworden ist. Die dürften aber erst der Anfang gewesen sein. Es ist leider mit weiteren Terrorakten in Deutschland zu rechnen. 

Kann uns die Polizei noch schützen?

Timke: Seit dem Jahr 2000 sind deutschlandweit 16.000 Stellen sind bei der Polizei abgebaut worden. Diese Größenordnung entspricht der Personalstärke der Berliner Polizei. Ein derart dramatischer Aderlaß hat natürlich Folgen für die tägliche Arbeit der Polizei. In vielen Deliktbereichen wird Kriminalität nicht mehr bekämpft, sondern nur noch verwaltet. Die Polizei befindet sich mittlerweile im Wachkoma. Vor diesem Hintergrund ist es abwegig anzunehmen, die Polizei könne die Bevölkerung vor zukünftigen Attentaten umfassend schützen. 

Aus der Union werden Stimmen laut, alle Asylbewerber von Geheimdienstmitarbeitern in persönlichen Gesprächen durchleuchten zu lassen.

Timke: Forderungen dieser Art sind populistische Schnellschüsse aus den Reihen einer Partei, die seit Jahren den deutschen Innenminister stellt und durch falsche Prioritätensetzung und krasse Fehlentscheidungen maßgeblich zur derzeit schwierigen Sicherheitslage in Deutschland beigetragen hat! Fakt ist: Niemand kann in die Köpfe von Terroristen schauen, die sich auf persönliche Gespräche mit Vertretern von Sicherheitsdiensten natürlich vorbereiten und sie täuschen können. Außerdem fehlt auch für diese Maßnahme schlicht das erforderliche Personal. Anstatt den Menschen mit solchen Vorschlägen Sand in die Augen zu streuen, müssen in Deutschland endlich konsequente Maßnahmen ergriffen werden, um der wachsenden Terrorgefahr zu begegnen. Zur Zeit gehen die Sicherheitsbehörden deutschlandweit von etwa 1.100 potentiellen islamischen Terroristen aus. Hinzu kommen ca. 9.000 Salafisten. Die Angehörigen dieses Personenkreises müssen – wenn immer rechtlich möglich – abgeschoben werden.






Jan Timke ist seit 2008 Abgeordneter in der Bremischen Bürgerschaft für die Wählervereinigung „Bürger in Wut“. Zuvor arbeitete er als Polizeibeamter im BKA.