© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Klappern gehört zum Handwerk
Henning Hoffgaard

Es gibt Pressemitteilungen, die auch nach dem zweiten und dritten Lesen eigentlich keinen Sinn ergeben wollen.  „Das politische Engagement von Frau Hinz war und ist von Aufrichtigkeit und Integrität geprägt“, teilen die Rechtsanwälte der SPD-Bundestagsabgeordneten Petra Hinz mit. Das wäre nichts Besonderes, wenn ein paar Zeilen zuvor nicht stehen würde, daß die Essener Politikerin große Teile ihres Lebenslaufes gefälscht hat. Dort gab sie stets an, Abitur gemacht sowie Rechts- und Staatswissenschaften studiert zu haben. Konkret habe sie als Juristin „freiberuflich im Krisen- und Projektmanagement“ gearbeitet. 22 Jahre nach dem angeblichen Abitur-Abschluß hätte Hinz dieses erflunkerte Wissen gut gebrauchen können. Statt dessen ist sie laut ihren (echten) Anwälten nun „sehr bestürzt, nicht die Courage aufgebracht zu haben, für ihr Fehlverhalten geradezustehen“. Ihr Mandat gibt sie auf. 

Der kreativ erweiterte Lebenslauf fand sich dabei nicht nur auf ihrer Webseite, sondern auch auf der Internetpräsenz des Bundestages. Der allerdings wiegelt ab. Die Daten dort beruhten lediglich auf den persönlichen Angaben der Abgeordneten. Geprüft werde nicht. In der Privatwirtschaft ein undenkbarer Vorgang. Dort müssen Bewerber jeden Abschluß genau dokumentieren. Auch die Stadt Essen übernahm alle Angaben der Politikerin, ohne genau hinzusehen. Auf dem Wahlzettel stand als Beruf dort „Juristin“. Ihre bizarre Einstellung zur Wahrheit ist daher mehr als nur ein Versehen oder ein Zeichen fehlender Integrität. Es war Wählertäuschung. Seitens des Bundestages drohen Hinz keine weiteren Konsequenzen. Nun hat der Bundestag also einen Juristen weniger. Bleiben immerhin noch 79 andere Anwälte und Notare. Mehr als zehn Prozent der Abgeordneten also. Und immerhin 38 Abgeordnete haben laut dem Bundestag keine Angaben zu ihren vorherigen Beruf gemacht. 

Grundsätzlich sind viele Abgeordnete jedoch sehr darauf erpicht, ihren Wählern zu zeigen, welche Kompetenz sie haben. Ein wenig peinlich wird es allerdings, wenn die Parlamentarier sich dafür mit ihrem Ehrendoktortitel in Kürschners Bundestagshandbuch verewigen lassen. Allerdings sank ihre Zahl in dieser Legislaturperiode auf drei. Davor waren es immerhin sechs. Ein wenig raffinierter macht es da Volker Beck. Der gibt in seinem Lebenslauf ein „Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Germanistik“ an. Das stimmt auch. Beck vergißt jedoch zu erwähnen, daß er dieses ohne Abschluß beendet hat. Wer will, kann sich so nach jedem Kurzzeitstudium einen wahnsinnig wichtig klingenden Studiengang in die Biographie schreiben. 

Dabei zeigt das Beispiel Andrea Nahles, wie unwichtig Lebenslauf und Berufserfahrung sind, um es bis an den Kabinettstisch zu schaffen. Zwar hat die „Literaturwissenschaftlerin“ fast jedes SPD-Pöstchen (Juso-Chefin, SPD-Präsidium, Generalsekretärin und so weiter) bekleidet, nur gearbeitet hat sie außerhalb ihrer Partei laut Lebenslauf nie. Heute ist sie, ungelogen, Bundesarbeitsministerin.