© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

Roboter werden zu Lobotel
Kuka: Chinesische Midea übernimmt Roboterhersteller / Gefahr durch „Made in China 2025“-Strategie?
Dirk Fischer

Die Übernahme des Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Hausgeräte-Hersteller Midea ist schon vor Ablauf der Angebotsfrist unter Dach und Fach. Die Chinesen halten bereits jetzt über 85 Prozent an der Augsburger Firma. Sie hatten sich zu Jahresbeginn zunächst 13 Prozent gesichert, um dann ein Übernahmeangebot von 115 Euro pro Aktie vorzulegen. Das lag damit 35 Prozent über dem Börsenkurs, was einem Unternehmenswert von 4,6 Milliarden Euro entspräche. Anfang Juli entschieden sich dann mit dem Unternehmer Friedhelm Loh und dem Voith-Konzern die beiden größten Anteilseigner, das Angebot anzunehmen.

Die Übernahme der Firma, die bislang Endkunden kaum bekannt ist, ist symptomatisch für das, was sich auf dem Standort Deutschland zur Zeit abspielt. Kuka-Maschinen sind bei den meisten Autoherstellern im Einsatz. Die Robotik gilt als Schlüsseltechnologie im Rahmen der sogenannten Industrie 4.0, bei der Maschinen miteinander kommunizieren. Bei einer Übernahme wechseln auch die Patente den Besitzer. Es droht der Verlust eines Wissensvorsprungs in diesem Bereich. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel warnte daher vor einem Ausverkauf deutscher Technologie und bevorzugte eine europäische Lösung. Dabei fielen die Namen Siemens und ABB – doch beide winkten ab. Ebenso die Autoindustrie als größter Nutzer von Kuka-Produkten. Offenbar überwog die Angst, bei der chinesischen Regierung in Ungnade zu fallen. EU-Kommissar Günther Oettinger forderte daraufhin ein europäisches Außenwirtschaftsgesetz für „strategisch wichtige Wirtschaftsbereiche“, um Forschung und Wertschöpfung in Europa zu halten.

Diese Übernahme ist Teil der „Made in China 2025“-Strategie, welche die Regierung in Peking 2015 beschlossen hat: Da das Land immer noch von der Schwerindustrie abhängig ist, die Lohnvorteile gegenüber dem Westen abnehmen und die Wachstumsraten sinken, unterstützt der Staat Unternehmen dabei, im Ausland moderne Technologie durch Übernahmen zu erwerben. Als Anreize dürfen sie auf Subventionierung und öffentliche Aufträge hoffen. Staatliche Banken helfen bei der Finanzierung mit Krediten. 

Ziel ist der Aufbau von Weltmarktführern in bestimmten Bereichen. Die Marke „Made in China“ soll dann nicht mehr für billige Massenware, sondern für Qualität und Effizienz stehen. Laut KPMG haben chinesische Unternehmen alleine 2016 bereits über fünf Milliarden Euro in deutsche Industrie- und Chemieunternehmen investiert. Im gleichen Zeitraum gab es in Deutschland 24 Übernahmen oder Übernahmeversuche durch chinesische Firmen. Damit steht Deutschland in Europa als Zielland chinesischer Direktinvestitionen vor Frankreich und Großbritannien auf dem ersten Platz. Deutsche Firmen, die in den letzten Jahren von Chinesen übernommen wurden, sind der Entsorger EEW, der Staplerhersteller Kion, der Maschinenbauer Krauss-Maffei und der Betonpumpenhersteller Putzmeister.

Feindliche Atmosphäre,    bürokratische Hürden

Auf der anderen Seite fühlt sich in China jedes zweite ausländische Unternehmen im Vergleich zu chinesischen Wettbewerbern benachteiligt, so eine Umfrage der Europäischen Handelskammer in China. Deren Chef Jörg Wuttke berichtete gar von einer zunehmend feindlichen Atmosphäre. Bürokratische Hürden behinderten einen echten Marktzutritt. In einigen Branchen ist dies nur über ein Gemeinschaftsunternehmen mit einer heimischen Firma möglich. Bedingung ist oft die Offenlegung von Technologie. Der Finanzsektor ist fast ganz abgeschottet.

Dementsprechend sprach Botschafter Michael Clauss in einem Gastbeitrag für die South China Morning Post von asymmetrischen Investitionen, asymmetrischem Technologietransfer und asymmetrischem Wettbewerb: Offenheit in Europa, Regulierung in China.

Das wurde auch im Juni beim Besuch der Bundeskanzlerin und einer Wirtschaftsdelegation in China angesprochen. Angela Merkel nannte das vor der Presse die „Reziprozität der Investitionsbedingungen“. Zwar drängte die deutsche Delegation damit auf die Gleichbehandlung mit chinesischen Firmen in Europa, aber die meisten Manager glauben nicht, daß den Chinesen der offizielle Marktwirtschaftsstatus zum Ende des Jahres noch zu verweigern ist. 

Der war China 2001 bei seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO nach Ablauf von 15 Jahren zugesagt worden. Auch wenn darüber noch gestritten wird, ist zu erwarten, daß die Chinesen aufgrund der Größe diesen Status bekommen werden. Die Kanzlerin hat auch schon ihre Unterstützung zugesagt. Das bedeutet wiederum, daß Gegenmaßnahmen wie Antidumpingverfahren gegen die Volksrepublik erschwert würden.

Das Ganze offenbart gerade auf deutscher Seite eine merkwürdige Haltung gegenüber der Marktwirtschaft: Während im Inland bei der Energiewende und Förderung der E-Mobilität marktwirtschaftliche Grundsätze über Bord geworfen werden, will die Regierung den chinesischen „asymmetrischen“ Wettbewerb mit dem Gütesiegel Marktwirtschaft belohnen.

Richtig ist, daß Globalisierung keine Einbahnstraße ist. Die deutsche Wirtschaft profitiert von China als Markt, Handelspartner und Produktionsstandort. Die Vorteile offener Märkte gelten nicht nur für den Warenverkehr, sondern auch für den Kapitalverkehr. 

Aber Vorsicht geboten ist dann, wenn Markt und Wettbewerb eben nicht die entscheidenden Motive sind und Investoren direkt oder indirekt von staatlichen Stellen unterstützt werden. Hier droht der Verlust technologischer Vorsprünge und damit von Wettbewerbsfähigkeit als Standortfaktor für ein Hochlohnland.