© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/16 / 12. August 2016

Ein Klick, der abschreckt
Wahl-O-Mat: Das Internetportal kann bei der Wahlentscheidung helfen / Doch die Neutralität ist nicht in jedem Punkt gewährleistet
Ronald Berthold

Unter dem Echo großer Berichterstattung hat die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) Anfang August den Wahl-O-Mat für die Abgeordnetenhauswahl in Berlin vorgestellt. Das Online-Werkzeug, das 38 verschiedene Fragen berührt, soll eine unabhängige Hilfe für Unentschlossene sowie insbesondere für Erst- und Jungwähler sein. Fast alle Berliner Medien verlinken auf den Wahl-O-Mat. Doch wie unabhängig ist die darüber erhaltene Information wirklich?

Nachdem der Nutzer die Thesen mit „stimme zu“, „neutral“ oder „stimme nicht zu“ beantwortet hat, erhält er sein Ergebnis. Der Wahl-O-Mat bietet dann an, „mehr Infos zur Partei“ zu bekommen, mit der er Übereinstimmungen festgestellt hat. Spuckt das Gerät die AfD aus, landet man auf einer Seite der BpB mit einem Artikel des Rechtsextremismus-Forschers Oskar Niedermayer. „Die AfD wird in der Politikwissenschaft als rechtspopulistisch oder als nationalkonservativ mit Brücken hin zum Rechtsextremismus eingeordnet.“ So lautet gleich der Beginn des zweiten Absatzes, ohne eine Begründung oder eine Quelle für die alles andere als neutrale Information zu nennen. 

Für Wahlentscheidung     immer wichtiger

Auch wenn Niedermayer zwischendurch sachlich Fakten wie Gründungsdatum, Ziele, Erfolge und Wahlergebnisse bei früheren Parlamentswahlen benennt, so enthält er sich jedoch keineswegs eindeutiger Wertungen. Noch im selben Absatz heißt es, die AfD äußere sich im „völkisch-nationalistischen Tenor“ zu deutscher Kultur, Identität sowie zum Islam. Und weiter: „In den rassistischen Äußerungen einiger Funktionäre“ seien – so der wiederholte schwere Vorwurf – „Brücken hin zum Rechtsextremismus“ zu erkennen. 

Innerhalb eines Textblockes fällt also zweimal das Wort „Rechtsextremismus“ im Zusammenhang mit der AfD. Die BpB nutzt den Wahl-O-Maten nicht nur für Information, sondern auch zum Verbreiten einer Meinung, die die junge Partei an den Rand des demokratischen Spektrums rückt und gerade auf Jung- und Erstwähler abschreckend wirken dürfte. Belege, Zitate oder gar Antithesen wie Äußerungen vom Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, finden keine Berücksichtigung. Maaßen hatte zuletzt vor einem Vierteljahr trotz erneuter Forderungen von Vertretern anderer Parteien gesagt, daß die AfD „aus unserer Sicht derzeit keine rechtsextremistische Partei“ sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte, „daß die Partei die Voraussetzungen erfüllt, um Beobachtungsobjekt des Bundesverfassungsschutzes zu sein“.

Auffällig sind Niedermayers Einschätzungen zur AfD auch im Kontrast zu dem, was er über die Linkspartei schreibt: „Ihre grundlegenden Werte sind Demokratie, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Internationalismus und Solidarität.“ Zwar erwähnt der Politikwissenschaftler in seiner BpB-„Information“ auch, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz „in seinem Bericht von 2015 sieben ‘offen extremistische’ Zusammenschlüsse und Netzwerke innerhalb der Partei“ aufführe und beobachte. Außer in diesem für einen Wissenschaftler schwer zu unterschlagenden Zitat fällt das Wort „Extremismus“ im Zusammenhang mit der Linken jedoch nicht. Er macht sich, anders als bei der AfD, wo eine solche Quellenlage nicht existiert, den Vorwurf nicht zu eigen.

Die Bundeszentrale bewirbt ihre Partei-Profile als vermeintlich unabhängig: „So können Sie sich kurze Informationen über alle zur Wahl zugelassenen Parteien einholen und dabei auch über viele der kleineren Parteien mehr erfahren.“ 

Nach Aussagen des Leiters der Berliner Landeszentrale für politische Bildung, Thomas Gill, werde der Wahl-O-Mat für die Wahlentscheidung immer wichtiger. Bereits bei der vorigen Wahl zum Abgeordnetenhaus hätten „rund 500.000 Menschen den Wahl-O-Mat genutzt“. 50 Prozent der Teilnehmer, das habe eine Untersuchung ergeben, habe sich „durch das Internet-Tool tiefgehender über landespolitische Fragen und Positionen der Parteien“ informiert. Außerdem sagten demnach sieben Prozent der Befragten, der Wahl-O-Mat habe sie motiviert, überhaupt wählen zu gehen. Thomas Gill: „Die Methode hat sich durchaus bewährt.“