© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/16 / 12. August 2016

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Hat der Priester, der den Märtyrertod gestorben ist, Anrecht auf siebzig Chorkinder im Paradies?“ Tweet der linken Aktivistin Julie Le Goïc, Stadrätin von Brest für die Gruppe „Partage Solidarité“, nach der Ermordung von Père Hamel in der Kirche von Saint-Etienne du Rouvray.

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Was, wenn nicht mehr nur Massen von Touristen aus China kommen, sondern sich im Reich der Mitte etwas wie Massentourismus etabliert?

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Es ist immer wieder die Rede von den Kosten – immateriellen wie materiellen –, die der Triumph der antiliberalen Kräfte in Europa zur Folge hätte. Gibt es auch nur eine annähernde Vorstellung davon, welche Kosten der Sieg der letzten liberalen Variante nach sich gezogen hat? Da wären als Faktoren zu nennen: Masseneinwanderung, Geburtendefizit, Bildungskatastrophe, Vergreisung, Auflösung der abendländischen Völker und ihrer Überlieferung, Schwund der inneren Sicherheit, gigantische Staatsverschuldung und astronomische Gewinne der Plutokraten.

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„Und was war mit der Messerattacke vor der Luftwaffenbasis in Norfolk? Wer hat das getan? ‘Zwei asiatische Männer’, wurde uns von unseren Autoritäten gesagt. Was? Gurkhas? Filipinos? Buddhisten? Hindunationalisten?“ (Rod Liddle)

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Die Barbaren und die Zivilisierten: Der Archäologe Nico Roymans von der Universität Amsterdam hat darauf hingewiesen, daß die massenhaften Skelett- und Waffenfunde bei Kessel, im Südosten der Niederlande, wahrscheinlich durch ein Massaker an den Tenkterern und Usipetern zu erklären seien. Die beiden germanischen Stämme waren von den Sueben verdrängt nach Westen gezogen und hatten Cäsar um Asyl gebeten. Der verweigerte ihnen aber die Aufnahme und ließ die Hilfesuchenden abschlachten. Wie er selbst stolz im vierten Buch des „Gallischen Krieges“ vermerkte, habe es sich um 430.000 Männer, Frauen und Kinder gehandelt. Wissenschaftler gehen heute eher von der Hälfte dieser Zahl aus, was am Tatbestand des Völkermordes selbstverständlich nichts ändert.

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Man dient uns jetzt Israel als Muster an, um die Bedrohungslage zu bewältigen. Allerdings gibt es zwischen Europa und Israel eine grundsätzliche Differenz: Dort ist die Konfliktsituation naturgegeben, hier wurde sie mutwillig heraufbeschworen.

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Bildungsbericht in loser Folge XCI: „Von gemeinsamem Unterricht kann keine Rede sein. Noch weniger aber vom Ende der Ausgrenzung. Der Klassenraum, der jeden aufnimmt und jeden anders sein läßt, ist ein Raum, in dem gerade Behinderte und Lernschwache ihr Anderssein ständig knallhart demonstriert bekommen. Daß andere mehr können als sie, mag sie gelegentlich anspornen, aber nur solange sie irgendeine Chance wittern, halbwegs mithalten zu können. Wenn aber diejenigen, denen Lesen- und Schreibenlernen, Gleichungen lösen, Hüpfen und Springen aufgrund ihrer Behinderung lebenslang verwehrt ist, ständig erleben müssen, daß Mitschüler das können und ihnen absichtlich oder unabsichtlich täglich vorführen, wovon sie ausgeschlossen sind, dann ist die Ausgrenzung nicht etwa verschwunden; sie hat sich auf diffuse, kaum mehr greifbare Weise vervielfältigt und verfeinert. Ständig wird sie verleugnet, und ständig ist sie präsent. Und es gibt kein Entrinnen. Die Inklusion duldet kein Außen. Andere Schulräume und -formen kommen nicht mehr in Betracht. Unversehens macht sich die Grundbedeutung von inclusio geltend: Einsperrung.“ (Christoph Türcke)

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Wahrscheinlich würde der Brexit weniger überraschend erscheinen, wenn man sich klargemacht hätte, daß zu den Besonderheiten der Briten nicht nur der Teegenuß und das Linksfahren gehören, sondern auch das Zwiedenken, mit dessen Hilfe man sich als Hort der Liberalität betrachtet und gleichzeitig flächendeckende Überwachung vornimmt, den Opel als Vauxhall verkauft und trotz EU-Mitgliedschaft Buy-British-Propaganda treibt, die sich sogar die Bio-Anbieter zunutze machen.

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Direkt nach dem Massaker von München stand das Ereignis auf der Titelseite fast aller britischen Zeitungen. Im allgemeinen ordnete man den Vorgang der nicht abreißenden Folge von Amokläufen zu, von denen der Westen heimgesucht wird. Interessant war allerdings ein Kommentar der Sunday Times, der darauf hinwies, daß die Gefährdung Deutschlands eben nicht mehr in seiner Neigung zum Autoritären liege, sondern in deren Gegenteil, einer merkwürdigen Blauäugigkeit und Duldsamkeit auch gegenüber Bedrohungen, die offenkundig sind. Neu ist auch diese Irritation nicht, aber sie verschaffte sich im Ausland bisher nur selten so deutliche Geltung wie in der Feststellung von Saul Berenson: „Früher haben die Deutschen gekämpft wie die Teufel. Was ist bloß mit denen los?“

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 26. August in der JF-Ausgabe 35/16.