© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/16 / 19. August 2016

Zu viel Willkommenskultur in den Medien
Studie beweist: Viele Journalisten ließen kritische Distanz vermissen und machten sich Merkels „Wir schaffen das“ zu eigen
Henning Hoffgaard

Schlimmer Verdacht: Berichten die deutschen Leitmedien einseitig über das Asyl- und Flüchtlingsthema? Dieser Frage gehen derzeit der Medienwisschaftler Michael Haller und sein Team von der Hamburg Media School in einer großangelegten Studie nach. Das Zwischenfazit fällt deutlich aus. 82 Prozent der 2015 untersuchten 19.000 Medienberichte zur Asylkrise waren demnach positiv gefärbt. 

Die Journalisten hätten sich also oft das Motto der Bundeskanzlerin – „Wir schaffen das“ – zu eigen gemacht, resümiert Haller. Beispielhaft dafür stehe die Zeit, die im August „Willkommen!“ titelte. Eindeutig wertend waren dabei rund 40 Prozent der Spiegel-Online-Artikel zu dem Thema, 20 Prozent der Tagesschau-Berichte sowie 15 Prozent der Texte auf der Internetseite der Welt. Ausgewertet wurden ausschließlich Nachrichtentexte. Kommentare, Reportagen und weitere Darstellungsformen wurden nicht berücksichtigt.

Haller geht dabei hart mit den Journalisten der Leitmedien ins Gericht. „Bis in die Weihnachtszeit wurde das prekäre Verhalten vieler junger Asylbewerber quasi übersehen: Willkommenskultur!“ Nun allerdings sei die Stoßrichtung ins Gegenteil verkehrt und über Asylbewerber werde nur noch als „sexbesessene junge Araber“ berichtet, meint Haller. 

Diese Deutung dürfte Haller ziemlich exklusiv haben. Die massenhaften Übergriffe durch Einwanderer in Schwimm- und Hallenbädern etwa finden auf den großen Medienportalen fast nicht statt – und wenn, dann ohne Nennung der Täterherkunft. Haller appelliert dennoch an die Journalistenzunft: „Sie sollten sich auf das journalistische Handwerk besinnen und ihren kritischen Verstand einschalten.“ Und das am besten „ohne Schaum vor dem Mund“. 

Kein schlechter Hinweis, den sich Haller vielleicht auch selbst zu Herzen nehmen sollte. Sein Rat, die Befürchtungen der „Spießbürger“ ernst „und sich selbst weniger wichtig zu nehmen“, setzt voraus, nicht jeden besorgten Deutschen  als „Spießbürger“ zu diffamieren.