© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/16 / 26. August 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Schäuble und die Dragoner
Peter Möller

Wer in Berlin eine wirklich gute Currywurst oder einen herausragenden Döner essen will, landet irgendwann am Mehringdamm in Kreuzberg. Vor dem legendären „Curry 36“ herrscht rund um die Uhr Gedränge. Nicht nur die zahlreichen Touristen, sondern auch viele Politiker lassen sich hier eine Currywurst „mit oder ohne Darm“ schmecken. Wenige Meter entfernt ist die Schlange sogar noch länger. Wer sich bei „Mustafas Gemüse-Döner“ anstellt, muß bis zu einer Stunde warten. 

Doch derzeit denken Politiker im Berliner Regierungsviertel nicht an kulinarische Genüsse, wenn es um den Mehringdamm geht – sondern an knallharte Machtspiele in der Großen Koalition. Denn gleich neben Curry- und Dönerbuden steht ein mit acht zinnenbewehrten Türmen versehener trutziger Bau aus dem 19. Jahrhundert. Einst war in dem langgestreckten Gebäude ein Dragonerregiment stationiert. Noch heute trägt das dahinter liegende Grundstück die Bezeichnung Dragoner-Areal.

Das im Bundesbesitz befindliche Filetstück in bester Kreuzberger Lage weckt viele Begehrlichkeiten. Der Bund möchte das 4,7 Hektar umfassende Gelände meistbietend verkaufen. Doch das stößt auf massiven Widerstand in Berlin. Die Befürchtung des Senats: Damit sich ein hoher Kaufpreis lohnt, müßten Investoren auf dem Gelände teure Eigentumswohnungen errichten – statt der dringend benötigten preisgünstigen Mietwohnungen. Denn in den vergangenen Jahren sind die Mieten hier rasant gestiegen. Vor allem Wohnung in „angesagten“ Stadtteilen wie Kreuzberg, Mitte oder Prenzlauer Berg sind für viele Berliner kaum noch zu bezahlen. Im September vergangenen Jahres stoppte der Bundesrat daher auf Initiative Berlins den Verkauf des Areals an einen österreichischen Investor. Dieser wollte das Dreifache des Verkehrswertes zahlen. Ein Preis, bei dem die Berliner Wohnungsbaugesellschaften nicht mithalten konnten.

Der Verkauf konnte verhindert werden, weil der Bundesrat über ein Vetorecht verfügt, wenn der Bund Grundstücke aus seinem Besitz veräußern will. Und genau diese Regelung wollte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nun mit einem Trick ändern. Im Entwurf des Gesetzes, das die finanzielle Beteiligung des Bundes an der Integration regelt und mit dem Länder und Kommunen entlastet werden sollen, baute er einen Passus ein, um das Vetorecht zu kippen. Schäubles Kalkül: Da Länder und Kommunen dringend auf die Milliarden vom Bund angewiesen sind, um die Kosten für Merkels Flüchtlingspolitik stemmen zu können, würden sie diese Kröte schlucken.

Doch die SPD roch den Braten und sprach von einem Täuschungsversuch. SPD-Chef Sigmar Gabriel ließ Schäuble erbost wissen, er werde die Neuregelung unter keinen Umständen mittragen. Doch das muß nicht das letzte Wort im Streit um das Dragoner-Areal gewesen sein. In Berlin wird erwartet, daß die beiden Alpha-Politiker ihren Streit bald beilegen werden – spätestens nach den Wahlen in Berlin im September. Vielleicht treffen sich die beiden dann ja zur Versöhnung auf eine Currywurst am Mehringdamm.