© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/16 / 26. August 2016

Hier wurde das erstemal deutsch gepredigt
Im Schatten der spektakuläreren Frauenkirche: Eine Monographie über das wechselvolle Schicksal der Dresdner Kreuzkirche
Wolfgang Kaufmann

Während die Dresdner Frauenkirche aufgrund ihres spektakulären Wiederaufbaus in aller Munde ist, genießt die Kreuzkirche am Altmarkt sehr viel weniger Popularität. Dabei hat dieses Gotteshaus deutlich bewegtere Zeiten erlebt als sein Pendant am Neumarkt. Davon kündet jetzt eine recht lesenswerte Monographie des Autorenquartetts Brigitte Monstadt-Barthier, Michaela Heinze, Norbert Hesse und Stefan Jarmer. 

So prangt die Kreuzkirche zwar mittlerweile im üblichen Barockstil wie fast alle großen Kirchen der sächsischen Landeshauptstadt, wurde aber zunächst als romanische Basilika errichtet, die ab 1319 den Namen Ecclesia sanctae crucis trug. Dieser rührte von der hier aufbewahrten Kreuzesreliquie her, die Constantia von Österreich 1234 anläßlich ihrer Heirat mit dem Meißner Markgrafen Heinrich dem Erlauchten nach Sachsen gebracht hatte; außerdem beherbergte das Bauwerk noch den sogenannten „Schwarzen Herrgott“, ein um 1270 in der Elbe gefundenes Kruzifix.

Daß sich die Kreuzkirche im Laufe der Jahrhunderte so drastisch veränderte, resultierte aus den verheerenden Schäden, die sie immer wieder erlitt – so zum Beispiel beim großen Stadtbrand im Juni 1491, im April 1669, als der Turm durch Blitzeinschläge demoliert wurde, und 1760 während des Siebenjährigen Krieges. Damals stürzten Langhaus und Chor infolge des preußischen Beschusses von Dresden ein. Außerdem brannte die Kirche am 16. Februar 1897 wegen eines defekten Schornsteins aus – dazu kamen die Zerstörungen durch das anglo-amerikanische Bombardement vom 13. und 14. Februar 1945. Allerdings fiel die Kreuzkirche im Gegensatz zur Frauenkirche nicht in Trümmer, weshalb der Kreuzchor schon am 4. August 1945 zur ersten Vesper nach dem Kriege laden konnte.

Neben dieser wechselhaften Baugeschichte kommt in „Dresdner Kreuzkirche. Die Stadtkirche am Altmarkt“ auch die historische Bedeutung des Hauses zur Sprache. Es bildete ja immerhin eines der frühen Zentren der Reformation, was unter anderem in dem ersten großen Gottesdienst in deutscher Sprache am 6. Juli 1539 zum Ausdruck kam. Später erlangte die Kirche, welche mehrfach wie Phönix aus der Asche aufstieg, vor allem als Treffpunkt der kirchlichen Opposition in der DDR Bedeutung. Hier versammelten sich am 13. Februar 1982 beim „Forum Frieden“ 6.000 Gegner der Militarisierung der Gesellschaft im Honecker-Staat; dem folgten später die regimekritischen Diskussionsrunden während des Evangelischen Kirchentages von 1983 sowie des „Wendeherbstes“ 1989, als unweit der Kreuzkirche Straßenschlachten zwischen Polizei und Demonstranten um den Zugang zum Hauptbahnhof tobten.

Inzwischen haben die Verantwortlichen der Kreuzkirche allerdings die Verbindung zum systemkritischen Teil der Bevölkerung verloren. Davon zeugen nicht zuletzt solche Aktionen wie der sogenannte „Bürgerdialog“ mit Vertretern von Pegida und der AfD, der weniger zur Versöhnung zwischen dem linken und rechten Lager beitrug, sondern als Podium für plumpe politische Agitation gegen die „islamophoben“ Gruppierungen diente. Ähnlich verhält es sich mit den ökumenischen Friedensgebeten, die demonstrativ während der Pegida-Demonstrationen veranstaltet werden. Und nicht zu vergessen der Versuch, muslimische Flüchtlinge zu den geistlichen Konzerten des Kreuzchores heranzuholen. Hiervon berichtet das Buch, dessen Stärken eindeutig im Blick in die fernere Vergangenheit liegen, mit keiner Silbe, was auch kaum verwundern kann, da es unter der Ägide der Leitung der Kreuzkirchgemeinde entstand. Trotzdem bleibt das Werk so auf frustrierende Weise unvollständig.

Brigitte Monstadt-Barthier, Michaela Heinze u.a.: Dresdner Kreuzkirche. Die Stadtkirche am Altmarkt. Verlag Hille, Dresden 2016, broschiert, 261 Seiten, Abbildungen, 14,80 Euro