© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/16 / 02. September 2016

Neuer Lehrplan für Geschichtsunterricht in Sachsen-Anhalt
Gedächtnisverlust
Karlheinz Weißmann

Das Land Sachsen-Anhalt führt einen neuen Lehrplan für den Geschichtsunterricht ein. Danach soll es auf Faktenwissen künftig nicht mehr ankommen. Die Empörung über die Abschaffung des Datenlernens hat mit Gedächtnisverlust zu tun. Mit Gedächtnisverlust zum einen, weil dieser Schritt zur Beseitigung chronologischen Wissens ein alter Hut ist: derlei gehört seit den siebziger Jahren zu den Maßnahmen progressiver Bildungsreform, wurde immer wieder einmal durchexerziert, dann halbherzig zurückgenommen und soll nun im Zeichen von „Entrümpelung“ des Lehrplans und „Kompetenzorientierung“ dem Endziel zugeführt werden.

Mit Gedächtnisverlust zum zweiten, weil es hier darum geht, sogar die Reste jenes kulturellen Aufbaus zu zerstören, der an der Chronologie hängt, dem schlichten Wissen, daß die Stein- vor der Bronzezeit lag und Kohl nach Hitler kam.

Mit Gedächtnisverlust zum dritten, weil die ganze Bildungsdebatte daran krankt, daß die Gegner linker Eingriffe in die Schulpolitik ein so schlechtes Erinnerungsvermögen haben, daß sie ihr nie entgegenhalten, was doch entscheidend wäre: hatten wir schon, hat damals auch nicht funktioniert, geht von falschen Voraussetzungen aus, ist wie alles, was ihr auf dem Sektor treibt, von Ahnungslosigkeit oder „bösartiger Menschenliebe“ (Edmund Burke) diktiert.