© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/16 / 02. September 2016

Wenig Wechselstimmung im Nordosten
Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern: Ob die Große Koalition weiterregieren kann, hängt vor allem vom Abschneiden der übrigen Parteien ab
Christian Schreiber


Die Zahlen sprechen an und für sich eine deutliche Sprache. Kurz vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am kommenden Sonntag wünschen sich knapp 50 Prozent der Wähler, daß SPD-Spitzenkandidat Erwin Sellering Ministerpräsident des Landes bleibt. Der 66jährige Jurist regiert das nordöstliche Bundesland mit ruhiger Hand (JF 34/16). 58 Prozent der Befragten gaben zuletzt an, eine Große Koalition von Sellerings SPD mit der CDU von Innenminister Lorenz Caffier auch für die kommende Legislaturperiode zu bevorzugen. 

Dem gegenüber stehen aber die Zahlen der sogenannten Sonntagsfrage.  Auch wenn die SPD jüngst noch einmal auf bis zu 28 Prozent zulegte, drohen ihr deutliche Verluste. Sie läuft Gefahr, eines ihrer schlechtesten  Ergebnisse  in der Landesgeschichte einzufahren, seit sie bei der ersten Wahl im Jahr 1990 auf 27 Prozent kam. Dieses Erlebnis hat die CDU bereits hinter sich, sie stürzte vor vier Jahren auf 23 Prozent ab und liegt derzeit eher noch darunter.  Da die beiden großen Parteien schwächeln, könnte es am Ende sogar eng werden mit der Neuauflage einer Großen Koalition. Noch vor einem Jahr sah es so aus, als sei lediglich die Frage zu klären, ob erneut die SPD oder doch die CDU den Ministerpräsidenten werde stellen können. „Es geht in der Wahl um die Frage ‘Wer soll dieses Land führen?’ Ich sage, in achtzehn sozialdemokratisch geführten Jahren sind wir wirklich gut vorangekommen. Herr Caffier sagt, er möchte jetzt auch mal Ministerpräsident sein. Dann sage ich, das wird nicht gehen“, erklärte Sellering. Der Westimport hat bereits frühzeitig klargemacht, daß er als Juniorpartner nicht zur Verfügung stehen werde. Ohnehin ist ungewiß, ob Sellering im Falle seiner Wiederwahl die komplette Amtszeit absolvieren wird. Potentielle Nachfolger wie „Kronprinz“ Christian Pegel oder Till Backhaus aus der Ministerriege bringen sich bereits in Stellung. Die SPD geht mit dem Wissen in den Wahltag, daß man ohne sie keine Regierung wird bilden können. 

Zwar dürfte die AfD die Zwanzig-Prozent-Marke überspringen, aber CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier hat eine Koalition mit der AfD kategorisch ausgeschlossen. Eine solche Option ist zudem ohnehin unwahrscheinlich, da die als dritter Partner benötigte FDP mit Umfragewerten von drei Prozent ziemlich sicher erneut nicht ins Parlament einziehen wird. 

Bessere Aussichten haben darauf die Grünen, die vor vier Jahren mit mehr als acht Prozent ein historisch gutes Ergebnis eingefahren haben, aber derzeit nur knapp über der Sperrklausel liegen. Sollten FDP und Grüne den Einzug verfehlen, würde einer Großen Koalition nichts im Wege stehen. Sollten sie einziehen, kämen sie wie in Sachsen-Anhalt als Mehrheitsbeschaffer in Betracht.  Ein rot-rot-grünes Bündnis nach Thüringer Vorbild hat unterdessen Linkspartei-Chef Bernd Riexinger ins Gespräch gebracht. „In Mecklenburg-Vorpommern wäre es dringlich, neue Wege zu gehen.“ Die Linke liegt mit Umfragewerten von 14 Prozent unter ihrem Ergebnis von 2011. Spitzenkandidat ist erneut der frühere Bauminister Helmut Holter, der vielen im Land als Teil des Establishments und wenig zugkräftig erscheint. Die Landesvorsitzende der Grünen Claudia Müller wollte sich dagegen noch nicht in die Karten schauen lassen: „Wir haben immer gesagt, daß, wenn wir gebraucht werden, daß wir mit allen demokratischen Fraktionen reden und dabei bleiben wir auch. Darauf konzentrieren wir uns. Und nicht auf Farbspiele.“ 

Künftige Machtoptionen hängen auch davon ab, ob es die NPD erneut ins Parlament schafft. Die Truppe um den Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs gehört seit 2006 dem Schweriner Landtag an und schaffte 2011 mit sechs Prozent den Wiedereinzug. Damals wie heute lag sie in allen Umfragen unterhalb der Sperrklausel.