© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/16 / 02. September 2016

Frisch gepresst

Demokratie. In nunmehr dritter, ergänzter und aktualisierter Auflage präsentiert der emeritierte Bayreuther Staats- und Verwaltungsrechtler Walter Schmitt Glaeser ein Werk mit dem eher nüchtern klingenden Titel „Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes“. Dahinter verbirgt sich aber keine dröge Verfassungsexegese, sondern eine von der Kritik begrüßte, erfrischend „meinungsstarke Streitschrift“. Bei aller polemischen Schärfe jedoch stets sachlich argumentierend, stellt der Verfasser die hehren Ideale und die sie immer krasser konterkarierende Wirklichkeit der bundesdeutschen Demokratie gegenüber. So legt er offen, wie aus dem Versagen der politischen Klasse und der ihr willig zuarbeitenden medialen „Wertungskartelle“ die gefährlichsten Bedrohungen für den Bestand des demokratischen Gemeinwesens erwachsen sind. Wie allerdings ist angesichts einer auf die Zerstörung von Nation und Staat zulaufenden Entwicklung, die Schmitt Glaeser mit Platons Mahnung kommentiert, die Tyrannei werde durch keine andere Regierungsform als die Demokratie in ihre Macht eingesetzt, die „Infrastruktur der Freiheit“ als Basis „gemeinwohlorientierter Politik“ noch zu bewahren? Auf diese Frage vermag auch dieser hellsichtige Analytiker der Zeitläufte nur mit dem „Prinzip Hoffnung“ zu antworten. (wm)

Walter Schmitt Glaeser: Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes. Grundzüge. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2016, broschiert, 365 Seiten, 26 Euro





Armenier-Genozid. Anders als nach der Vertreibung der Deutschen aus Ostdeutschland und Ostmitteleuropa wurde jene der Armenier von 1915/1916 aus ihrer kleinasiatischen Heimat nicht unmittelbar danach durch eine staatlich angelegte wissenschaftliche Dokumentation vieler Schicksale beleuchtet. Deshalb startete die Universität Bochum siebzig Jahre nach der sich zum Genozid entwickelnden Massenvertreibung der christlichen Minderheit durch die Türken ein Oral-History-Projekt, in dem – ganz in der Tradition des großen deutschen Chronisten des Völkermords Johannes Lepsius– immerhin noch sieben Überlebende ihre erschütternden Erlebnisberichte vortragen. Die Veröffentlichung dieser Zeugnisse hat dreißig Jahre später politische Brisanz, nicht zuletzt durch das beharrliche Leugnen des Genozids in der Türkei unter Erdogan. (bä)

Mihran Dabag, Kristin Platt: Verlust und Vermächtnis. Überlebende des Genozids an den Armeniern erinnern sich. Schöningh Verlag, Paderborn 2016, gebunden, 388 Seiten, 29,90 Euro