© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/16 / 02. September 2016

Knapp daneben
Menschen sind eine Enttäuschung
Karl Heinzen

Im Durchschnitt stehen den Bürgern heute, so ist einer Studie der Stiftung für Zukunftsforschung zu entnehmen, pro Tag nur drei Stunden und 49 Minuten zur freien Verfügung. Vor fünf Jahren waren es noch elf Minuten mehr. Je knapper die Freizeit wird, desto wichtiger ist es, sie optimal zu nutzen. Soll man sie wirklich mit anderen Menschen verplempern, die genauso auswechselbar und belanglos sind wie man selbst? Dazu sind die Bürger immer weniger bereit. Die sozialen Medien haben sie gelehrt, den einst romantisch verklärten Begriff der Freundschaft mit nüchternen Augen zu sehen. Letztlich handelt es sich bloß um einen Status, den zwei Menschen, die zufällig voneinander Kenntnis erhielten, wechselseitig erklären. Diese Art von Freundschaft wird unnötigen Belastungen ausgesetzt, wenn man sich persönlich begegnet und auf die Launen des anderen Rücksicht nehmen muß.

Eine Wirtschaft, die sich von menschlicher Leistung abhängig macht, ist nicht zukunftsfähig.

Aber auch der Kontakt mit Menschen, an die einen das Schicksal kettet, wird immer rarer. Wo die Kinderzahl sinkt, wird weniger Zeit vergeudet, um sich ihnen zu widmen. Die Lust, Eltern oder gar Großeltern zu besuchen, um sich ihre peinlichen Weisheiten aus einem langweiligen Leben anzuhören, schwindet. Pech hat nur, wer es nicht aushält, Single zu sein, und sich einen Lebenspartner als Klotz ans Bein bindet.

Für Arbeitgeber sind dies erfreuliche Nachrichten. Die sozialen Beziehungen der Beschäftigten jenseits des Betriebes dünnen aus. Damit gibt es auch weniger Störfaktoren, die ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Die meisten Arbeitnehmer setzen auch während des Feierabends auf Selbstoptimierung. Sie treiben immer mehr Sport, takten ihre Zeit, kalkulieren Kosten und Nutzen und sind permanent erreichbar.

Die Freude wird aber durch alarmierende Tendenzen getrübt. Zahlreiche Menschen fühlen sich auch in der Freizeit überfordert und wollen einfach nur faulenzen. Viel mehr, dieser Erkenntnis müssen sich Arbeitgeber stellen, wird aus ihnen daher nicht herauszupressen sein. Menschen sind und bleiben eine Enttäuschung. Eine Wirtschaft, die sich von ihrer Leistung abhängig macht, ist nicht zukunftsfähig.