© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/16 / 09. September 2016

Lügen, Sex und Fischfilet
Affäre: Bundesjustizminister Heiko Maas hat sich mit mehreren eigenmächtigen Aktionen den Zorn aus den Reihen von Koalition und Opposition zugezogen
Michael Paulwitz

Sonst teilt er gerne kräftig und bei jeder Gelegenheit aus, jetzt steht Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) selbst massiv in der Kritik. Von Opposition und Koalitionspartner wird der „Twitter-Minister“ ins Kreuzfeuer genommen. Die Vorwürfe: Einmischung in ein laufendes Strafverfahren und Anlügen des Parlaments.

Im Mai 2015 hatte der damalige Generalbundesanwalt Harald Range Ermittlungen wegen Verdachts auf Landesverrat gegen das Blog netzpolitik.org eingeleitet, das vertrauliche Verfassungsschutz-Dokumente zu Internet-Überwachungsplänen veröffentlicht hatte. Das Verfahren wurde im August 2015 eingestellt – offenkundig auf Druck aus dem Bundesjustizministerium. Range hatte die Einmischung damals als „unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz“ kritisiert und wurde von Maas in den Ruhestand versetzt, weil er sich „nicht an Absprachen gehalten“ habe.

Vor dem Rechtsausschuß des Bundestags hatte Maas bestritten, Range eine Weisung erteilt zu haben; er habe mit ihm „Einvernehmen“ über den Stopp eines Gutachtens hergestellt, das nach Darstellung Ranges die Vorwürfe gegen netzpolitik.org erhärtet hätte.

Die Berliner Staatsanwaltschaft widerspricht allerdings dieser Darstellung. Der Bundesjustizminister und seine damalige Staatssekretärin Stefanie Hubig hätten ihre Rechtsauffassung sehr wohl „im Wege der Weisung“ durchgesetzt. In den Akten findet sich ein Vermerk, daß „nach Angaben von Herrn Generalbundesanwalt“ die Staatssekretärin ihn angewiesen habe, den Gutachtensauftrag zurückzunehmen: „Falls er dieser Weisung nicht nachkäme, werde er unverzüglich entlassen.“ 

Zwar sehen die Berliner Ermittler keinen strafbaren Mißbrauch des umstrittenen Weisungsrechts, weil das Ministerium „im Rahmen seiner Befugnisse“ gehandelt habe. Dafür steht der Vorwurf im Raum, daß Maas den Rechtsausschuß des Bundestags vorsätzlich belogen hat.

Auch im Fall des „Models“ Gina-Lisa Lohfink muß Maas sich mit Einmischungsvorwürfen herumschlagen. Auf dem Höhepunkt des Prozesses gegen Lohfink, die wegen falscher Vergewaltigungs-Beschuldigungen zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, hatte sich auch der Bundesjustizminister für ein härteres Sexualstrafrecht ausgesprochen. Zwar wollte er sich „nicht zu Einzelfällen“ geäußert haben, der zeitliche Zusammenhang mit der „Nein bleibt nein“-Kampagne von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), die sich ausdrücklich auf den Fall bezog, ist dennoch offenkundig.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat deswegen Medienberichten zufolge den Kopf des Bundesjustizministers gefordert: „Ein anständiger Minister müßte da zurücktreten.“ Das brachte Maas erst einmal demonstrative Solidarität der Genossen ein.

Doch einen weiteren Grund, warum Heiko Maas „nicht mehr länger tragbar“ sei, hat der CSU-Abgeordnete Alexander Hoffmann, ebenfalls Mitglied im Rechtsausschuß, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT ins Spiel gebracht: das in einem lahmen Verteidigungsmanöver auf die Mitarbeiter abgewälzte demonstrative Lob des Bundesjustizministers für Feine Sahne Fischfilet, eine „linksextremistische Band, deren Texte voller Haß sind, die unser Land auf das übelste verunglimpfen und in denen zur Gewalt gegen die Polizei aufgerufen wird“.