© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/16 / 09. September 2016

„Deutschland muß sterben“
Linksextreme Musikgruppen verbreiten Haßbotschaften
Claus-M. Wolfschlag

Nicht jeder Justizminister bringt die Chuzpe auf, einer Formation zu applaudieren, die noch vor kurzem vom Verfassungsschutz beobachtet worden ist. Doch Heiko Maas hat auch diese gesinnungsethische Hürde souverän gemeistert. 

Die aus Vorpommern stammende Rockcombo Feine Sahne Fischfilet war in Anklam bei einem vor allem gegen die AfD gerichteten Konzert „gegen Rechts“ aufgetreten. Auf Facebook wertete Maas dies als „tolles Zeichen gegen Fremdenhaß und Rassismus“. Die Band, die in Liedern unter anderem „Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck!“ oder „Die Bullenhelme – sie sollen fliegen. Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein“ verlautbart, wurde bis 2014 vom Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern beobachtet (die JF berichtete). 

Die schlichten Strickmuster der politischen Botschaft, die von der Band verbreitet werden, finden sich häufig bei ähnlichen linken Szene-Musikgruppen. Sie bestehen in der Regel aus Deutschland-Bashing, Beschimpfungen von Polizisten und „Nazis“ sowie der Verherrlichung linker Gewalt. Deutschland wird als ein durch die NS-Geschichte moralisch widerlegtes Land verstanden, dem man den Untergang wünscht. Es wird als ein rigoros gegen Einwanderer vorgehender Polizeistaat dargestellt, der Nichtdeutsche und Linke mit Brutalität verfolge, aber kriminelle „Rechte“ oder „Nazis“ gewähren lasse. „Sogenannter Autonomer, abgestochen von stolzen Deutschen“, sangen beispielsweise anklagend Die goldenen Zitronen in ihrem Lied „Das bißchen Totschlag“.

Es wird an die Aggressivität der Szene appelliert

Als „Gegenwehr“ wird in vielen Liedern ermunternd an die latente Aggressivität der eigenen Szene appelliert, unter Berufung auf das Faustrecht gegen „Nazis“ und „Bullen“ vorzugehen. Man könnte so weit gehen, daß die einzige Funktion derartiger Bands ist, das vorhandene Aggressionspotential der Szene mit musikalischen Mitteln aufzustacheln. Die aus der linken Szene stammenden Besucher derartiger Konzerte sind sich dieser Wirkung durchaus bewußt, suchen diese, um sich „in Stimmung“ bringen oder um die eigene Gefühlswelt bestätigt zu bekommen.

Angefangen hat auch diese Entwicklung im „Roten Jahrzehnt“ der Post-68er-Zeit. Schon während der Zeit der Studentenrevolte wurde beim Genuß von Janis Joplin oder den Rolling Stones die Bedeutung von Musik als verbindendes Element dieser heterogenen Jugendbewegung erkannt. War die linke Szene der folgenden K-Gruppen-Zeit noch von nostalgischen Arbeiterliedern sowie der DKP-Liedermacher-Szene um Hannes Wader und Franz Josef Degenhardt beherrscht, so kam es Ende der siebziger Jahre zum ersten Modernisierungsschub. Die linke Szene erkannte, daß über Musik suggestiv politischer Einfluß ausgeübt werden kann, der auch breitere Schichten wenig politisierter junger Menschen erreicht. Musik- und Eventhungrigen werden somit politische Botschaften vermittelt, denen sie sich schon durch die Gruppenprozesse solcher Massenevents nicht aktiv entziehen können.

„Rock against Racism“ gilt als Vorbild

Das erste „Rock gegen Rechts“-Festival fand 1979 als Reaktion auf eine NPD-Kundgebung in Frankfurt am Main statt. Neben Gewerkschaftern, Jungsozialisten und den „Spontis“ um Joschka Fischer spielte die von Ost-Berlin finanzierte DKP-Jugend SDAJ und deren Zeitung elan eine wichtige Rolle im Organisationsteam. Als Vorbild galt die britische „Rock Against Racism“-Veranstaltung, die 1978 von der „Anti Nazi League“ in London ausgerichtet worden war. „Rock gegen Rechts“ wurde in den Folgejahren unregelmäßig immer wieder neu aufgelegt und gilt bis heute als Strickmuster von Veranstaltungen wie nun in Anklam.

Seit den achtziger Jahren entwickelte sich zudem in der linken Szene eine eigene musikalische Subkultur. Anfangs kam die „Punk“-Musik dem Bedürfnis der Szene nach einem aggressiveren Ausdruck entgegen. 

Ein Produkt jener Anfangszeit ist die 1979 gegründete und bis heute aktive Hamburger Punkband Slime. Deren bekannteste Liedzeile lautete: „Wo Faschisten und Multis das Land regieren / Wo Leben und Umwelt keinen interessieren / Wo alle Menschen wie ich verlieren / Da kann eigentlich nur noch eins passieren .../ Deutschland muß sterben, damit wir leben können! (…) / Deutschland verrecke, damit wir leben können!“

Parolen wie „Polizei SA – SS“ gehen auf Slime zurück, möglichenfalls auch die Abkürzung A.C.A.B. („All Cops Are Bastards“). Slime-Lieder dienten zur Anregung für viele deutsche Musiker. So verwendeten zum Beispiel Die Ärzte Elemente aus dem Lied „Bullenschweine“.

Punk- und Rock-Musik kommen bis heute der Stimmungslage der Szene entgegen. „Nie wieder Pegida“ trällerte beispielsweise dieses Jahr die Hannoveraner Punkgruppe Abstürzende Brieftauben. Die 2006 gegründete bayerische Elektropunk-Band Frittenbude ist dagegen durch ihre aktivere Unterstützung linksautonomer „Antifa“-Gruppen bekannt. Sie verwendet in Remixen Lieder anderer Gruppen, fügt diesen aber eigene Texte hinzu. In Abwandlung eines „Egotronic“-Liedes singt die Gruppe: „Wir haben euch was mitgebracht. (Baß, Baß, Baß). Fürs Nazi- und Faschistenpack gibts Haß, Haß, Haß!“

Frittenbude steht unter Vertrag des Hamburger Plattenlabels Audiolith. Dessen Gründer Lars Lewerenz sorgte 2010 für einen Eklat, als das Label den „HANS“ der Interessengemeinschaft Hamburger Musikwirtschaft gewann. Auf der Preisverleihung bezeichnete er Hans Albers, den Namensgeber des Preises, als „Scheißtyp, der die übelste Nazi-Propaganda gebuckelt hat“ und zertrümmerte den Preis mit einer Axt.

Ende der achtziger Jahre kam es zum zweiten Modernisierungsschub der linken Musikszene. Mit dem Aufkommen von Hip-Hop einerseits und der Techno-Bewegung andererseits fanden sich rasch Musiker, die auch diese Stilrichtungen für die Botschaften der Szene vereinnahmten und nutzbar machten. 

Etablierte Musiker „gegen Rechts“ 

Im Techno-Sektor spielte der Berliner Alec Empire eine Vorreiterrolle. Mit seiner Formation Atari Teenage Riot veröffentlichte er Stellungnahmen gegen Nationalstaaten, so mit den Songs „Deutschland Has Gotta Die“ oder „Hetzjagd auf Nazis“, der mit dem Spruch „Der 9. Schuß ging sauber durch die Stirn“ eingeleitet wird. Empire trat sowohl als Anheizer bei der von Krawallen begleiteten 1.-Mai-Demo 1999 in Berlin auf wie auf diversen internationalen Festivals, von Kanada über die Niederlande bis nach Polen.

Weniger einflußreich im Techno wurde der Sänger Torsun mit der 3-Mann-Formation Egotronic, der das „Raven gegen Deutschland“ propagiert. Als Koordinationszentrale für „DJs gegen Rechts“ fungiert seit 2000 die von den Techno-DJs Monika Kruse und Gregor Wildermann ins Leben gerufene Partyreihe „No Historical Backspin“. Die Initiative gibt vor, „ein Zeichen gegen rassistische und intolerante Strömungen“ setzen zu wollen und betont die politische Ausrichtung „der Techno-, House- und Clubszene“ gegen Vorstellungen einer reinen Spaßgeneration.

„No Historical Backspin“ ist mit der Amadeu-Antonio-Stiftung verbunden, verlinkt jene auf der eigenen Internetseite und gibt auch deren Stiftungs- als Spendenkonto an. Der international tätige Techno-DJ und Produzent Paul von Dyk und die Toten Hosen gehören zu den Unterstützern. 

Neben Techno wurde die Sprechmusik des Hip-Hop als geeignetes Medium zum Übermitteln von Botschaften erkannt. Als geistiger Vordenker diente das 1988 gegründete Musikmagazin ZAP, das „autonomem“ Gedankengut nahestand und sich Anfang der neunziger Jahre intensiv mit der Nutzung von Rap auseinandersetzte. Das Blatt verbreitete damals die vermutlich radikalste Haß- und Gewaltapologie der Szene. So wurden diejenigen kritisiert, die „in der heutigen Zeit noch eine Minute Zeit für die ‘Gewaltdiskussion’“ verschwenden würden: „Der Kampf wird schneller und härter, aber auch unauffälliger und anonym.“

ZAP beschäftigte sich damals mit den neuen Bands Advanced Chemistry und Anarchist Academy und führte 1993 ein Interview mit dem vielversprechenden jungen Rap-Musiker Jan Delay, der bald darauf mit seiner Formation Absolute Beginner den Sprung in die Charts und Fernsehkanäle schaffen sollte. Seither existiert das Phänomen linksradikalen Polit-Hip-Hops. So erregte das Rap-Lied „Rote Flora bleibt“ der Sänger „Johnny Mauser“ und „Captain Gips“ die Aufmerksamkeit des Hamburger Verfassungsschutzes, da darin zur Gewalt gegen Polizisten aufgerufen wurde: „Von der Flora kriegt ihr nix, höchstens Tritte ins Gesicht!“

So offen linksradikale Musiker sind allerdings unterhaltungsmusikalische Randphänomene. Meist bleibt ihr direktes Wirkungsumfeld auf „autonome“ Szenetreffs beschränkt, nur gelegentlich bekommen sie von sympathisierenden Journalisten eine lobende Erwähnung in der Presse. Bedeutender sind etablierte Musiker, die ein Millionenpublikum in Medien und auf Konzerten erreichen, und die die Politisierung nur als Nebentätigkeit betreiben. Seit Jahren verbreiten beispielsweise Udo Lindenberg, Die Toten Hosen, Die Ärzte oder die Sportfreunde Stiller regelmäßig Stellungnahmen „gegen Rechts“ gegenüber einem weit größeren Publikum, als es Feine Sahne Fischfilet je erreichen werden.