© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/16 / 09. September 2016

Maulkorb für Mafia-Doku
Das Oberlandesgericht Dresden hat eine erneute Ausstrahlung einer Dokumentation über die ‘Ndrangheta untersagt
Martina Meckelein

Im November 2015 strahlte der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) eine 30minütige Fernsehdokumentation über die Netzwerke der italienischen Organisierten Kriminalität aus. Ihr Titel: „Provinz der Bosse – Mafia in Mitteldeutschland“. Der Film dokumentiert laut MDR die Aktivitäten der kalabrischen ‘Ndrangheta und anderer krimineller Gruppen in den östlichen Bundesländern. Die Recherchen der drei Journalisten Axel Hemmerling, Ludwig Kendzia und Fabio Ghelli führten allerdings dazu, daß nicht die Herren der ehrenwerten Gesellschaft, sondern sie selbst vor Gericht geladen wurden – als Zeugen.

Über Jahre hatten die Reporter Mafiastrukturen recherchiert. In der Sendung dokumentierten sie, wie die ‘Ndrangheta nach der Wende Drogengelder in Mitteldeutschland investierte, indem Mafia-Unterhändler Immobilien kauften und in Restaurants umwandelten. Weder nannten die Reporter im Bericht die mutmaßlichen Mitglieder der ‘Ndrangheta namentlich, noch zeigten sie Fotos von ihnen. Doch ein italienischer Restaurantbesitzer klagte auf Unterlassung. Er fühle sich erkannt, denn in der Sendung wurde sein Lokal gezeigt. 

Das Landgericht Leipzig gab ihm am 2. Februar 2016 recht. Die Kammer verbot dem MDR bei Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, den Wirt wörtlich oder sinngemäß als Mitglied der `Ndrangheta zu bezeichnen. Der Film darf in seiner ursprünglichen Fassung nicht gezeigt werden.

Verfahren gegen Strukturen des organisierten Verbrechens in Deutschland sind selten. Denn eine Beweislastumkehr, wie in Italien bei Mafia-Ermittlungen, gibt es hierzulande nicht. Auch Journalisten bleibt meistens nur die Verdachtsberichterstattung, deren Voraussetzungen hoch sind: zugelassene Anklage vor Gericht, öffentliches Interesse an der Berichterstattung, Eigenrecherche, Stellungnahme des Betroffenen einschließlich entlastender Argumente, und die Betroffenen sollten nicht identifizierbar sein.

Der MDR sperrte den Film, legte jedoch gegen die Entscheidung des Gerichts Rechtsmittel ein, unter anderem mit der Begründung, daß eine Neubearbeitung mit „erheblichem, auch finanziellem Aufwand“ verbunden sei. Am 30. August hat das Oberlandesgericht Dresden die Berufung nun abgewiesen.