© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/16 / 09. September 2016

Graben verboten
Die Sanierung des DDR-Uranbergbaus kostete bisher sechs Milliarden Euro
Paul Leonhard

Andreas Winklers Film „Thronfolgen der Natur“ ist ein Zeichen der Hoffnung. In ihm dokumentiert der sächsische Tierfilmer am Beispiel des Schlammabsatzteiches einer Uranerzwäsche nahe von Dänkritz im Landkreis Zwickau, wie sich aus einem radioaktiven toten Schlammloch ein fantastisches Vogelparadies entwickelte, wie die Natur in all ihren Facetten zurückkehrte. Naturschützer beobachten hier stolz die ersten Wespenbussarde, Gänsesänger, Rotfußfalkenmännchen oder Steinschmätzer. Allerdings müssen sie Abstand halten, denn noch sind die Arbeiten nicht beendet.

Der Absatzteich bei Dänkritz ist der zahlreichen Hinterlassenschaften der Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut (SDAG). Das Bergbauunternehmen gilt bis heute als Synonym für den rücksichtslosen Uranabbau in Sachsen und Thüringen. Die bewußt falsch nach dem Schwermetall Wismut benannte SDAG wuchs zwischen 1946 und 1990 zum weltweit viertgrößten Uranproduzenten. Bis 1991 wurden 108,8 Millionen Tonnen Erz aus den verschiedenen Lagerstätten abgebaut und von den Aufbereitungsbetrieben 216.300 Tonnen Uran produziert und vorrangig zu militärischen Zwecken an die Sowjetunion geliefert.

„Ewigkeitsprogramm“ weit über das Jahr 2045 hinaus

Das strahlende Erbe und eine kaputte Natur übernahm nach der Wiedervereinigung die Bundesrepublik. Damals schien es kaum vorstellbar, daß sich aus den geschändeten Orten wieder Naturgebiete entwickeln können, zu groß schienen die Schadstoffeinträge in den Boden. Inzwischen wurde das Wasser aus den 200 Hektar großen Teichen bei Helmsdorf und Dänkritz abgesaugt und gereinigt. Bis zu 50 Meter dick war hier einst die Giftschicht. Die Schlämme in den industriellen Absetzanlagen enthalten vor allem Radium sowie Uran, Arsen und weitere Schwermetalle. All das härtet nun unter Kunststoffolien aus.

Für die Sanierung des Uranbergbaus ist die 1991 gegründete bundeseigene Wismut GmbH zuständig. Und diese zog eine positive Bilanz ihrer 25jährigen Tätigkeit: Das Ende der Kernsanierung sei an manchen Standorten erreicht oder in greifbare Nähe gerückt. Die untertägigen Arbeiten seien größtenteils beendet und die Bergwerke nahezu saniert. 99 Prozent der Hohlräume seien verfüllt, 97 Prozent der Grubengebäude geflutet, 78 Prozent der kontaminierten Flächen abgedeckt. Es seien „nicht mehr triste vom Bergbau gezeichnete Orte“, die die Region kennzeichnen, sondern „Landschaften, die sich wieder in das Bild der Region einfügen und eine Perspektive bieten“, heißt es im Wismut-Rechenschaftsbericht. Bislang seien für die Sanierung in Sachsen und Thüringen sechs Milliarden Euro aufgewandt worden.

Beendet sind die Arbeiten noch längst nicht. Das neue Sanierungsprogramm läuft bis 2045. Am längsten werden die Arbeiten an der industriellen Absetzanlage Culmitzsch am Standort Seelingstädt unweit von Gera dauern. Notwendig bleiben die langfristige Nachsorge und Überwachung der ehemaligen Bergbau- und Aufbereitungsstandorte sowie das Wassermanagement. Aufwendig ist besonders das Auffangen und Behandeln des kontaminierten Flutungs- und Sickerwasser. Von „Ewigkeitsaufgaben“ spricht man bei der Wismut GmbH. Wie komplex die Vorbereitungs- und Planungsleistungen für die Sanierungsprojekte sind, verraten die 77 Teilprojekte, an denen weiter im über- und untertägigen Bereich gearbeitet wird. Neu in Angriff genommen wurden in diesem Jahr beispielsweise die Verwahrarbeiten am Zeller Berg im erzgebirgischen Aue. In Bad Schlema und Johanngeorgenstadt werden die Arbeiten fortgesetzt. Und für die Sanierung des Absatzteiches Dänkritz II werden die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren erarbeitet.

Perspektiven für eine gefahrlose Nachnutzung

Die Ziele der Wismut GmbH sind dennoch hochgesteckt: nach der Flächensanierung das einstige SDAG-Gebiet nicht nur der Natur zurückzugeben, sondern auch den Bürgern als Erholungslandschaft anbieten. Weitere 138 Millionen Euro, je zur Hälfte aus dem Landes- und dem Bundeshaushalt aufzubringen, stehen dafür bis 2022 allein in Sachsen bereit. Bei der Wismut GmbH ist man stolz auf die schon sanierten Landschaften, die Perspektiven für eine gefahrlose Nachnutzung bieten. Der aktuelle Wismut-Umweltbericht präsentiert zahlreiche hoffnungsvolle Beispiele. Die „Neue Landschaft Ronneburg“ ist ein 124 Hektar großer Park, der ursprünglich schon 2007 als einer der beiden Ausstellungsbereiche der damaligen Bundesgartenschau eröffnet wurde.

Am Standort Ronneburg hat der Bergbautraditionsverein Wismut inzwischen eine begehbare Landkarte errichtet, mit deren Hilfe der Besucher die Dimension des einstigen Uranerzbergbaus in Ostthüringen im Maßstab 1:100 anschaulich nachvollziehen kann. Hier wie auf allen Plateaus der Aufschuttkörper in den neu entstandenen Landschaften gilt aber weiterhin: Tief graben sollte niemand. Und die Wismut-Sanierung zeigt anschaulich, daß die Kosten der Atomenergie höher sind, als ihre Befürworter zugeben wollen.

Informationen zum Uranerzbergbau in Sachsen und Thüringen:

 wismut.de

 uranerzbergbau.de

 www.bergbaubetrieb-drosen.de

 www.bergbauverein-ronneburg.de