© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/16 / 16. September 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Recht und Freiheit auf der Spree
Lukas Steinwandter

Im spätsommerlichen Sonnenuntergang steuert die „Spree-Comtess“ am Reichstag vorbei gen Osten. Im Inneren des Salonschiffs diskutieren mehr als hundert Gäste ebenfalls über einen Untergang – über den Europas. Während mehrere Filmkameras aufgebaut werden, sind bereits hitzig geführte Gespräche zu vernehmen. Es gibt an diesem Abend nur ein Thema: Merkels Asylkrise. 

Das Gespräch verstummt, als die Organisatoren den Salon betreten und ihren Gast präsentieren, den ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten Václav Klaus. „Deutschland ist das heutige Schlachtfeld Europas“, konstatiert dieser und weiß die Stimmung aufzufangen. Ob die Deutschen dies in ganzer Breite verstanden hätten, da sei sich der 75jährige allerdings nicht sicher. „Politische Korrektheit, Massenmigration, Multikulti, Zentralismus, Kulturmarxismus“ herrschten in Deutschland noch mehr als in Tschechien. 

Immer wieder ertönen laute Zwischenrufe aus dem Publikum. Warum handelt Merkel so? Gibt es überhaupt eine Chance, die Masseineinwanderung zu stoppen? An einen Anruf aus den Vereinigten Staaten glaubt Klaus jedenfalls nicht. Merkel handele so, „weil es ihr Spaß macht“, es sei ihre Ideologie. Im übrigen seien nicht die Einwanderer schuld, sondern europäische Politiker, „und allen voran die deutschen“. Die provozierte Massenmigration sei eine „Bedrohung der europäischen Zivilisation und Prosperität“. 

Heute fühle er sich in Europa wieder wie damals im Kommunismus. „Schüler und Studenten werden indoktriniert.“ Man müsse den Menschen die Augen öffnen. Aber wie? Für Klaus gibt es nur einen Weg: über Parteien. „Jemand muß die Wahlen gewinnen!“ Ein weiteres Diktum des ehemaligen Staatspräsidenten ist das Festhalten am Nationalstaat. „Es gibt keine Freiheit ohne Nationalstaat“, gerade deshalb sei die Europäische Union so gefährlich. Patriotismus verstehe er nur im Zusammenhang mit dem Nationalstaat. 

Klaus erfährt nicht nur Zustimmung im Publikum. Deutschlands Kosten in der Asylkrise, die zuletzt immer öfter in Frage gestellt wurden, seien kein Problem. Geld sei genug da. Zur geschlossenen Veranstaltung am vergangenen Mittwoch geladen hatte die „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“. Ihren Aufruf „Nein zur Merkelschen Willkommenskultur“ haben laut eigenen Angaben mehr als 7.100 Personen unterzeichnet.

„In weiser Voraussicht“ habe man den Veranstaltungstitel „Recht und Freiheit in Europa“ bereits vor Monaten gewählt, zeigt sich der ehemalige CSU-Politiker und Initiator David Bendels zufrieden und weist darauf hin, es gelte ein Signal zu setzen für „positiven Patriotismus“. Damit begonnen werde in diesem „Klub der direkten und klaren Ansprache“. Und was meint der Referent zum Thema Rußland? „Ich bin kein Verteidiger Putins“, stellt Klaus klar. Aber die Dämonisierung Rußlands sei ein Fehler. 

Die Sonne ist mittlerweile dem Mond gewichen, die Gesichter auf der „Spree-Comtess“ strahlen.