© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/16 / 16. September 2016

Grüße aus Paris
Neue „Normalität“
Albrecht Rothacher

La rentrée, die Rückkehr aus den langen Sommerferien, ist in Frankreich eine Institution. Schulen, Unis und Büros füllen sich wieder. Mit alten und neuen Kollegen werden Urlaubsgeschichten – fast immer im eigenen Lande – ausgetauscht. 

Paris gehört wieder den Parisern. Amerikanische Touristen,  die sich wie üblich zu allen Themen der Welt unüberhörbar laut auszutauschen pflegen („We all hate Hillary“ scheint das Leitmotiv zu sein: Immerhin sind es Mittelschichten-Amerikaner, die nach Paris fahren, nicht die Hill-Billies aus den Appalachen), sind wieder in der Minderheit. 

Auch die bettelnden Zigeuner sind wieder in ihre Reviere zurückgekehrt. Es ist auch weniger Militär auf den Straßen. Die Fallschirmjägerposten vor den Ministerien und dem Parlament sind abgezogen. So als sei nach der EM und dem Massaker von Nizza eine neue Normalität verordnet worden. Und dies, obwohl sich die islamischen Terroristen, diesmal gender-korrekt als fanatisiertes Frauenteam, in Paris wie zu erwarten war, zurückgemeldet haben.

Auch die bettelnden Zigeuner sind wieder in ihre angestammten Reviere zurückgekehrt.

Witzig, das neue Herbstangebot der wenigen überlebenden Bücherläden im einstigen Intellektuellenviertel Quartier Latin – die meisten sind längst zu Antiquitätenläden, Boutiquen und Galerien mutiert, die Bücher nur als Dekomaterial verwenden. Neben Romanen, die hauptsächlich Kindheitstraumata und Identitätskrisen verarbeiten, die Politikbücher der Saison: Alle kreisen darum, warum Hollande, der es allen recht machen wollte, fünf Jahre lang ein Rohrkrepierer war, aus rechter wie aus linker Sicht. Dazu jede Menge Kochbücher zum makrobiotischen Kuchenbacken sowie Malbücher für Erwachsene zum Entstressen. Wer jeden Tag drei Stunden in der überfüllten Metro fahren muß, eng gepreßt an schubsende, laut telefonierende und ungewaschene Mitreisende, der braucht sie wirklich. 

Die Präsidentschaftswahl 2017 wirft ihre Schatten voraus. 16 Kandidaten raufen sich allein im konservativen Lager. Den meisten geht es allerdings nur darum, im Gespräch zu bleiben. Das Hauptargument: Wer kann gegen Marine Le Pen in der Endrunde am besten punkten. Die zerstrittene Linke spielt dabei kaum noch eine Rolle. 

Doch die Spiele der politischen Klasse, ihre gebrochenen Versprechen und ihre Ankündigungspolitik erregen nur sie selbst und ihre Medien. Das ausgeplünderte steuerzahlende Volk scheint völlig desinteressiert zu sein.