© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/16 / 16. September 2016

Mit den Landschlachtschiffen zum Erfolg
An der Somme setzten die Briten im September 1916 die ersten Panzer ein / Durch die falsche Taktik endete der erste Einsatz als Fiasko
Wolfgang Kaufmann

Nach der Erstarrung der Frontlinie im September 1914 von der Nordseeküste bis zur schweizerischen Grenze suchten die beteiligten Mächte Mittel und Wege, um wieder zum Bewegungskrieg zurückzukehren. So setzte Deutschland auf den Einsatz von Giftgas – und öffnete hierdurch die Büchse der Pandora, ohne aber nennenswerte Erfolge zu erzielen. In England wiederum ließen sich einige Visionäre von dem Schriftsteller H. G. Wells inspirieren, der 1903 „Panzerkreuzer für den Landkrieg“ beschrieben hatte. Zu diesen Männern gehörte der Erste Lord der Admiralität, Winston Churchill, welcher am 5. Januar 1915 gegenüber Premierminister Henry Asquith forderte, genau solche Gefährte zu schaffen. Dabei existierte inzwischen schon ein Prototyp – konstruiert von dem Kriegsberichterstatter und Pionier-Offizier Ernest Dunlop Swinton.

Die Vorstellung des Versuchsmusters auf der Basis des Traktors Holt Caterpillar am 17. Februar 1915 geriet allerdings zum Desaster: Der Kettenantrieb versagte unter dem simulierten Gewicht von Panzerung und Bewaffnung. Trotzdem zweigte Churchill, der dem Test beigewohnt hatte, 75.000 Pfund aus dem Budget der Royal Navy zum Zwecke der Entwicklung von „Landschlachtschiffen“ ab. Den entsprechenden Zuschlag erhielt dann am 24. Juli 1915 die englische Firma William Foster & Co Ltd. Hier bauten Ingenieure wie Walter Gordon Wilson zwei weitere Panzermodelle der ersten Stunde, und zwar den „Little Willie“, dessen Jungfernfahrt am 8. September 1915 erfolgte, und den „Big Willie“ – ein wesentlich gelungeneres Modell, aus dem dann später der „Mark I“ mit rhombenförmigem Gehäuse und umlaufenden Ketten entstand, welcher ab dem 12. Februar 1916 als erster Panzer der Welt in Serienfertigung ging.

Tank als Tarnbezeichnung während der Produktion

Zu diesem Zeitpunkt nannten sich die englischen Panzerkonstrukteure „Ausschuß für die Bereitstellung von Tanks“. Zur Tarnung wurde nämlich die Legende in die Welt gesetzt, man arbeite an transportablen Wasserbehältern für den Einsatz im Nahen Osten. Und dieses Täuschungsmanöver funktionierte auch: Die deutsche Seite hatte keine Ahnung, was da bei Foster in Lincoln aus den Werkshallen rollte, bis der Gegner am 15. September 1916 erstmals mit seinen „Tanks“ angriff.

Ort des Geschehens war ein 25 Kilometer breiter Frontabschnitt an der Somme zwischen Flers und Courelette, wo die 4. britische Armee durchbrechen wollte. Hierbei sollten die Panzer die angreifende Infanterie unterstützen. Dazu bot das Empire 49 Kampfwagen auf, von denen 17 allerdings schon auf dem Weg an die Front liegenblieben. Ebenso glücklos agierten die anderen: Sieben Tanks blieben in Granattrichtern stecken, drei hatten eine Motorpanne, zwei wurden durch deutsche Soldaten mit Handgranaten vernichtet und fünf von der feindlichen Artillerie abgeschossen. Der Rest kehrte unverrichteter Dinge um. Somit geriet der erste Panzereinsatz der Kriegsgeschichte zum Fiasko, woraus ein führender britischer Militär den Schluß zog: „Erstens sind Panzer in schlechtem Gelände nicht zu gebrauchen. Zweitens ist das Gelände im Gefecht immer schlecht. Drittens also sind die Panzer auf dem Schlachtfeld nutzlos.“

Das freilich war eine grandiose Fehleinschätzung, wie sich dann schon im November 1917 in der Schlacht von Cambrai zeigte, als die Tanks nicht mehr im Kleinverband angriffen, sondern alle mittlerweile verfügbaren 476 Panzer in den Kampf geworfen wurden. So massiert eingesetzt, konnte die neue Waffe tatsächlich Frontdurchbrüche erzielen – auch wenn der bei Cambrai keinen strategischen Nutzen brachte, weil die Infanterie zu inkonsequent nachstieß.