© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/16 / 23. September 2016

Grüße aus Bern
Marsch fürs Läbe
Frank Liebermann

Nach dem gefühlt ewig langen Sommer mit seiner späten Hitzewelle hat es sich endlich wieder abgekühlt. Daher konnte ich mich auch aufraffen, mal wieder an einem Samstagnachmittag in die Stadt zu gehen. Normalerweise versuche ich solche Abenteuer zu meiden, da mir große Menschenmengen und das damit verbundene Gedränge auf die Nerven gehen. Schon als ich durch den Bahnhof gehe, bin ich angespannt. Die Berner sind nicht nur die langsamsten Hauptstädter bezüglich ihres Schrittempos, was irgendwelche Wissenschaftler herausgefunden haben, sie sind auch Weltmeister im Blöd-in-der-Gegend-Stehen. Vor dem Ausgang der Rolltreppe blockieren zwei palavernde Funktionsjackenträger den Weg und behindern alle.

Als die Blasmusik aufhört, geht ein unglaubliches Lärmen von Seiten der Linken los.

Auf dem Weg ins Zentrum steht überall Polizei in Kampfmontur. Schilde, Schlagstöcke, Tränengasgewehre und Helme zeigen, daß man sich mit ihnen besser nicht anlegt. Der geübte Hauptstädter weiß, daß deren Auftritt  Demonstration, Fußball- oder Eishockeyspiel bedeutet. Heute gibt es den Marsch fürs Läbe. Abtreibungsgegner halten eine Kundgebung vor dem Bundeshaus ab. Das Wetter paßt zum Anlaß. Der Himmel ist grau, immer wieder gibt es leichte Schauer. Die ganze Szenerie wirkt gespenstisch. 

Vor dem Bundeshaus steht eine Ansammlung von Menschen, viele Kinder darunter, aber auch Alte und ein paar Mönche in Kutten. Sie halten Luftballons und selbstgemalte Plakate. Die obligatorischen Holzkreuze fehlen. Auf der anderen Seite, durch eine Straße getrennt, stehen die linken Gegendemonstranten, die sich langsam warmgrölen. Dazwischen die Polizei in Vollmontur mit geschlossenen Helmen. Als die Blasmusik aufhört, geht ein unglaubliches Lärmen von seiten der Gegendemonstranten los, einige Gegenstände werden geworfen. Mit Hupen, Gepfeife und Gegröle skandieren sie Parolen. Schlichtere Gemüter schreien immer wieder „Ihr Kinderf...“ zu den Lebensschützern. Die Stimmung ist angespannt. Durch den Lärm ist von der Kundgebung von meinem Standplatz aus nichts mehr zu hören. Ein Durchkommen zu den Lebensschützern ist auf normalem Weg ebenfalls nicht mehr möglich.

Das nicht viel passiert, liegt an der hohen Polizeipräsenz. Sie hat sich vor und hinter den Demonstranten plaziert. Bei Randale gibt es keine Fluchtmöglichkeit. Die versammelten Autonomen sehen das vermutlich ähnlich. Es bleibt laut, aber weitgehend friedlich.