© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/16 / 23. September 2016

Milliarden gegen Assad
Syrienkrieg: Der Einsatz israelischer Militärs ist längst kein Staatsgeheimnis mehr
Marc Zoellner

Abgeschossen oder nicht? Über diese Frage rätseln derzeit Presse und Kommentatoren nicht nur in Israel selbst. Gleich zwei israelische Flugzeuge, so behauptete die Damaszener Regierung, habe die zum Machthaber Baschar al-Assad noch loyal stehende Armee des mit Israel benachbarten Bürgerkriegslandes über syrischem Terrain abgeschossen. Zum einen eine unbemannte Drohne, die sich nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus aufgehalten habe. Zum anderen, über der Stadt Quneitra auf den Golanhöhen, ein Kampfflugzeug der israelischen Luftwaffe (IAF). Doch Armee- und Regierungssprecher weisen die Behauptungen der Regierung Assads kategorisch von sich.

Tatsächlich allerdings nur zum Teil: Denn daß die IAF sowie das Heer der kleinen Nahostdemokratie, die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF), auch militärisch im unüberschaubaren Syrienkonflikt partizipieren, ist längst kein Staaatsgeheimnis mehr. 

Assads Verbündete stoßen Tel Aviv übel auf  

Bei der Forderung nach Absetzung Baschar al-Assads zeigt sich Israel unnachgiebig. Aus israelischer Sicht verständlich: Schließlich hat der syrische Machthaber in jenem blutigen Konflikt, welcher bereits über 300.000 Tote forderte, gleich zwei Mitstreiter auf seiner Seite, die den jüdischen Staat lieber heute als morgen von der politischen Landkarte gestrichen sehen wollen: das theokratische Regime des Iran, welches Damaskus mit Waffen und Spezialkommandos versorgt – und die radikalschiitische Hisbollah-Miliz, die von den Waffenlieferungen Teherans profitiert.

Gerade die Erinnerung an den Libanonkrieg sind auch heute in Israel noch hellwach. Im Juli 2006 hatten Hisbollah-Anhänger zwei israelische Soldaten über die Grenze des Libanon entführt. Die darauffolgenden Kriegshandlungen – der Einmarsch Israels in die Zedernrepublik sowie der Beschuß israelischer Städte im Norden des Landes durch Raketen der Radikalislamisten – veranlaßten auf israelischer Seite rund eine halbe Million, auf seiten Libanons sogar fast eine Million Menschen zur Flucht in beruhigtere Regionen beider Länder. Rund 30 Kilometer drang die israelische Armee bei dem etwa zwei Monate währenden Konflikt ins Landesinnere des Libanon ein, um etwaige Raketenbasen der Hisbollah zu zerstören. Erfolg war den IDF allerdings nur teilweise beschieden. Die Hisbollah ließ den Truppenabzug der Israelis damals gar als Sieg über das „zionistische Regime“ propagieren.

Für Israel ist die Neubewaffnung der Schiitenmiliz mit professionell hergestellten Raketen aus iranischer Fabrikation, bei welchen zudem eine größere Reichweite befürchtet wird als bei jenen aus den Garagenmanufakturen der Hisbollah, allein schon aus historischer Perspektive ein militärpolitisches Tabu. 

Die Zerschlagung von Operationsbasen sowie logistischen Strukturen der Hisbollah in Syrien gilt Tel Aviv von daher als primäres Kriegsziel. Auch der Einsatz von Kampfflugzeugen über den Golanhöhen, bestätigte das israelische Militär im Anschluß an den behaupteten Abschuß, sei Teil dieser Strategie. Überdies, erklärte ein Armeesprecher, seien israelische Grenzsiedlungen auch nach dem Beginn des Waffenstillstands in Syrien immer wieder vom Golan aus von Mörsern und Geschützen unter Beschuß genommen worden. „Zwei Boden-Luft-Raketen wurden nach unserer Mission, syrische Artilleriepositionen ins Visier zu nehmen, von Syrien abgefeuert“, verlautbarten die IDF Mitte September. „Doch zu keinem Zeitpunkt zeigte sich die Sicherheit unserer Flugzeuge beeinträchtigt.“

Daß Israels Schutzbedürfnis nicht aus der Luft gegriffen ist, davon zeugte Anfang September auch die im ägyptischen Fernsehen übertragene Predigt des Imam der Heiligen Moschee zu Mekka. Der wahabitische Kleriker hatte in dieser den Dschihadisten „im Jemen, in Syrien und im Irak“ Gottes Segen zum „Sieg über die verräterischen Juden und boshaften Christen“ gewünscht.

USA stützen Israels Militär mit 35 Milliarden Euro 

Mit den Vereinigten Staaten hat Israrel zuletzt jedoch einen einflußreichen Verbündeten zu mehr Engagement bezüglich der Sicherheit Israels überzeugen können: Nach zehn Monate währenden Verhandlungen beider Regierungen bewilligte Washington vergangene Woche schlußendlich neue Finanzhilfen zur Modernisierung des israelischen Militärs. Das getroffene bilaterale Abkommen soll Israel von 2019 an in den folgenden zehn Jahren mit über 38 Milliarden Dollar (rund 35 Milliarden Euro) an Kapital kräftig unter die Arme greifen.

Allerdings unter zwei Vorbehalten: Israel mußte sich bindend dazu verpflichten, abseits eines drohenden Kriegs keine weiteren Verhandlungsrunden mit dem US-Kongreß zu eröffnen. Die  Gelder dürfen lediglich dazu verwendet werden, um in den USA Waffen einzukaufen. „Dieser Vertrag“, teilte das US-Außenministerium mit, „begründet die größte Einzelsumme an bilateraler Militärhilfe in der gesamten US-Geschichte.“ Nicht minder glücklich über die Militärbeihilfe, wenn auch nicht ganz so euphorisch, zeigte sich auch die Regierung Israels: Immerhin hatten die dortigen Hardliner unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu noch höher gepokert. In Tel Aviv war zuletzt von rund 45 Milliarden US-Dollar die Rede gewesen.