© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/16 / 23. September 2016

Vom Publikum begeistert umlagert
Ausstellung II: „Sünde und Secession – Franz von Stuck in Wien“ in der Österreichischen Galerie Belvedere
Claus-M. Wolfschlag

Das waren noch Zeiten, als Gegenwartskünstler von den Massen gefeiert wurden und die Entfremdung zwischen Kunst und Bürgertum noch nicht ihren unheilvollen Riß vollzogen hatte. Nicht ratlose Besucher und die Ratlosigkeit überspielende Kunstkenner versammelten sich vor den Werken der bekannten Maler und Bildhauer, sondern begeisterte Massen.

Franz von Stuck steht geradezu exemplarisch für jene Künstlerfürsten, die im 19. Jahrhundert ein wachsendes bildungsbürgerliches Publikum in ihren Bann zogen. Stuck wurde 1863 als Sohn eines niederbayerischen Dorfmüllers geboren, besuchte ab dem 16. Lebensjahr die königliche Kunstgewerbeschule in München. Dort wurde der Künstler Ferdinand Barth auf den Jungen aufmerksam und ermutigte ihn zur Fortsetzung der Ausbildung an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in München. Stuck schuf in dieser Zeit kunstgewerbliche Gegenstände, zeichnete Karikaturen und Vignetten.

1889 folgte dann aber ein Paukenschlag. Stucks großformatiges Gemälde „Der Wächter des Paradieses“ erhielt auf der Internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast die Goldmedaille zweiter Klasse. Von gleißendem Licht umstrahlt, steht dort im stolzen Kontrapost ein Jüngling mit Flügeln und flammendem Schwert am Eingang der Himmelspforte. Ein Jahr später malte Stuck das Gegenstück zu diesem preisgekrönten Werk. Sein „Luzifer“ als gefallener Engel stiert, auf einem Fels sitzend, fast kauernd, den Betrachter aus dem blauschwarzen Dunkel mit leuchtend gelben Augen an.

1892 wurde der Symbolist zum Mitbegründer der Münchner Secession, die sich gegen die verkrustete akademische Genre-Malerei wendete. Für diese Künstlervereinigung entwarf er das Markenzeichen, den Kopf der Minerva/Pallas Athene. Die Rebellion schadete Stuck nicht, stattdessen erfreute er sich großer Anerkennung bei den etablierten Eliten. 1893 wurde er Professor und 1895 an die Königliche Akademie der Bildenden Künste in München berufen. Zu seinen Schülern zählten unter anderem Wassily Kandinsky und Paul Klee.

1897 begann er nach eigenen Plänen mit dem Bau seines persönlichen Kunstrefugiums, der neoklassizistischen Villa Stuck in München, die seine Wohn- und Atelierräume beherbergte. Es häuften sich nun die Auszeichnungen. 1899 erhielt Stuck den österreichisch-kaiserlichen Orden der Eisernen Krone III. Klasse durch Kaiser Franz Joseph. 1900 wurde Stuck für dessen Möbelentwürfe die Goldmedaille auf der Pariser Weltausstellung überreicht. 1905 folgte die Verleihung des Ritterkreuzes des Verdienstordens der bayerischen Krone, die mit dem Erwerb des Adelstitels verbunden war. Auf der Internationalen Kunstausstellung in Venedig 1909 bekam er einen eigenen Saal und wurde von der italienischen Kritik gefeiert. 

Freier Umgang mit Figuren der antiken Sagenwelt

Die nun im Wiener Belvedere zu sehende umfassende Schau des 1928 verstorbenen Malers zeigt einen reichen Querschnitt aus dessen Schaffen. Betont wird dabei die Beziehung zur österreichischen Hauptstadt, gilt die Münchner Secession doch als Vorbild für ihren 1897 gegründeten Wiener Ableger, zu dem unter anderem Koloman Moser und Gustav Klimt, ein weiterer „Shooting Star“ jener Zeit, gehörten. Zudem trug die Zusammenarbeit mit dem Wiener Verlag Gerlach & Schenk maßgeblich zur Bekanntheit Stucks bei.

Zahlreiche erfundene Szenen mit Sphinxen, Zentauren, Nixen und Faunen bevölkern derzeit die Räume des Unteren Belvedere und zeigen den freien Umgang Stucks mit den Figuren der antiken Sagenwelt. Neben qualitativ hochwertigen kunstgewerblichen Objekten, die teils noch stark dem Historismus verhaftet sind, kann der Besucher zahlreiche der bekannten Werke entdecken, vom „Haupt der Medusa“ (um 1892) über das Porträt der „Frau Feez“ (1900) bis zum im Jugendstil ausgeführten „Frühling“ (um 1912).

Selbstverständlich fehlt auch nicht Stucks berühmtestes Werk, die „Sünde“ von 1893. Aus dem diffusen Dunkel leuchtet weiß der aufreizend entblößte Oberkörper der „Femme Fatale“, um den sich eine bedrohlich fauchende Schlange windet. Auch dieses Werk wurde bereits unmittelbar nach seiner Entstehung vom Publikum regelrecht umlagert. Damit man ihm nicht zu nahe kommt, ist es in Wien durch eine kleine Barriere geschützt.

Die Ausstellung „Sünde und Secession. Franz von Stuck in Wien“ ist bis zum 9. Oktober in der Österreichischen Galerie Belvedere, Prinz- Eugen-Straße 27, Wien, täglich von 10 bis 18 Uhr, Mi., bis 21 Uhr, zu sehen. 

 www.belvedere.at