© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/16 / 30. September 2016

Gnadenfrist an der Saar
AfD-Saarland: Wegen des Handels mit Devotionalien aus dem Zweiten Weltkrieg ist der Landtags-Spitzenkandidat in die Schlagzeilen geraten
Martin Voigt

Für AfD-Chef Jörg Meuthen ist es eine politische Instinktlosigkeit: „Wenn das nicht schon im Landesverband Saar intern gelöst wird, werden wir das zu bewerten haben. Das hat ja bundespolitische Auswirkungen.“ Vergangene Woche war bekanntgeworden, daß der saarländische AfD-Spitzenkandidat Rudolf Müller in seinem Antiquitätengeschäft Orden mit Hakenkreuz sowie „Lagergeld“ aus dem Konzentrationslager Theresienstadt verkauft haben soll. 

AfD-Pressesprecher Christian Lüth sagte der JUNGEN FREIHEIT, man werde einer Entscheidung des Landesverbands nicht durch eigene Einschätzungen vorgreifen. Meuthen betonte jedoch, Müllers Verhalten sei „mit der Mitgliedschaft in der AfD nicht vereinbar“. Inzwischen ermittelt die Saarbrücker Staatsanwaltschaft. Die Saar-AfD wiederum möchte sich laut Landespressesprecher Lutz Hecker erst auf einer Landesvorstandssitzung am 4. Oktober mit Müllers NS-Devotionalienhandel befassen.

Dies wird nicht die letzte Sitzung sein, auf der sich der Landesverband mit hausgemachten Problemen beschäftigen wird. Seit der Bundesvorstand der AfD den kleinen Verband im Westen Deutschlands am 24. März aufgelöst hatte, befindet sich die AfD im Saarland in einem merkwürdigen Schwebezustand. Dieser Schritt war aus Sicht der beiden Vorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen notwendig geworden, weil der Vorstand der Saar-AfD Kontakte ins rechtsextreme Umfeld gepflegt haben soll. Dies hatte der Stern unter Berufung auf parteiinterne E-Mails und WhatsApp-Nachrichten Anfang März aufgedeckt (JF 14/16 und 15/16).

Die Führungsriege der Saar-AfD, die sich um die zentrale Figur des 77jährigen Landesvorstands Josef Dörr rankt, zog umgehend vor das Bundesschiedsgericht der AfD, das die Auflösung einstweilig außer Kraft setzte. Am 9. und 10. Juli sollte das Bundesschiedsgericht, das in Stuttgart zusammentraf, eigentlich klare Verhältnisse schaffen. Doch das Wochenende reichte nicht aus, um eine Entscheidung zu treffen.

Kandidatenliste für die Landtagswahl aufgestellt

„Aus meiner Sicht ist der Fall im Saarland so komplex, daß ich noch mindestens einen weiteren Verhandlungstag mit Zeugenbefragungen für wünschenswert halte“, sagte AfD-Bundesvorstand Dirk Driesang der jungen freiheit. „Diese Komplexität ist meines Erachtens auch der Grund dafür, daß das Verfahren besonders gründlich und gewissenhaft geführt werden muß, und dies dauert natürlich seine Zeit. Einen Zeitkorridor zu nennen, ist somit nicht angebracht.“ Obwohl das Gericht im Juli auch die sofortige Auflösung des Landesverbands hätte beschließen können, fand noch exakt eine Woche zuvor ein Landesparteitag der Saar-AfD statt, auf dem die Kandidaten für die Landesliste zur Landtagswahl im kommenden März aufgestellt wurden. Anstelle von Dörr steht nun sein Vertrauter und Sprecher Rudolf Müller auf Listenplatz eins. Die Wahl wurde bereits angefochten, unter anderem weil laut der Beschwerde eines Parteimitglieds die Delegiertenzahlen falsch berechnet gewesen seien. Der Kreisverband Saarbrücken-Stadt, dem Müller vorsitzt, habe zu viele Delegierte zugeschlagen bekommen, so der Vorwurf.

Müller stellt die Dinge gegenüber der jungen freiheit etwas anders dar: Der Saar-AfD laufe die Zeit davon. „Wir müssen für jeden Wahlkreis 300 Unterstützerunterschriften sammeln“, sagt Müller. Auf die langsamen Mühlen der Juristen könne man da nicht warten. Die Wahlvorschläge mit der Reihenfolge der Kandidaten auf der Landesliste müßten bis spätestens zum 19. Januar 2017 eingereicht werden, teilte die Landeswahlleiterin für das Saarland, Monika Zöllner, dieser Zeitung mit. Die AfD habe inzwischen einen Landeswahlvorschlag bei ihr eingereicht. Nach der amtlichen Zulassung eines Wahlvorschlags sei jede Änderung ausgeschlossen. Die Frist hierfür endet am 2. Februar 2017.

Eine Entscheidung des Bundesschiedsgerichts gegen Dörr und seine Anhänger vor Ablauf dieser Frist könnte deren Streben in den Landtag ein jähes Ende bereiten. „Nein, wir haben nichts gegen eine baldige Entscheidung“, sagt Müller. „Wir sind uns sicher, daß das Gericht zu unseren Gunsten entscheiden wird.“ Sicher sei man sich, da das Bundesgericht damals den Landesverband zwar nur vorläufig, aber als voll handlungsfähig wieder eingesetzt hatte.