© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/16 / 30. September 2016

Wenig Lust auf Flüchtlingsheime
Frankreich: Präsident Hollande will Flüchtlingslager in Calais schließen, doch die Verteilung der illegalen Migranten gefällt weder diesen noch vielen Franzosen
Friedrich-Thorsten Müller

Bei einem Besuch anläßlich der Grundsteinlegung der Hafenerweiterung von Calais am Montag kündigte Frankreichs Präsident François Hollande an, das dortige wilde Flüchtlingslager bis Jahresende definitiv schließen zu wollen. Seit Jahren versuchen illegale Einwanderer, über den Tunnel und die Fähren von Calais ins britische Dover zu gelangen, meist indem sie auf LKW aufspringen und sich in diesen verstecken. 

Ebenso lange gibt es wilde, „Dschungel“ genannte Camps in der Umgebung von Calais mit Tausenden Bewohnern. Durch die immer wirkungsvolleren Absperreinrichtungen hat sich inzwischen ein Rückstau von etwa 10.000 Einwanderern gebildet, die Großbritannien nicht einreisen läßt.

Anti-Migranten-Referendum in Allex

Hintergrund der Ankündigung ist, daß der sozialistische Präsident Hollande einen Plan zur Verteilung der Flüchtlinge über ganz Frankreich hat ausarbeiten lassen. Nach jahrelangem Zaudern will er das Thema damit aus dem Präsidentschaftswahlkampf im nächsten Jahr heraushalten. Denn der frühere Präsident Nicolas Sarkozy hat für den Fall, daß die Republikaner ihn als Kandidat nominieren und er wieder Präsident werden sollte, eine Schließung des wilden Lagers „noch im Sommer 2017“ in Aussicht gestellt.

Doch auch die von Innenminister Bernard Cazeneuve präzisierte Verteil-Lösung der illegalen Einwanderer wird von vielen in Frankreich mit Skepsis gesehen. Der Interimsparteivorsitzende der Republikaner, Laurent Wauquiez, sieht darin eine Maßnahme zur Schaffung von „Hunderten von Dschungeln“ in Frankreich und fordert in einer Petition dazu auf, das Projekt zu Fall zu bringen. Bürgermeister des Front National haben als Antwort gar das Bündnis „Unsere Gemeinde bleibt migrantenfrei“ gegründet. 

An einigen namentlich als Umsiedlungsziele bereits bekannten Orten regt sich darüber hinaus schon Widerstand: In der 2.500-Einwohner-Gemeinde Allex, in der Region Drôme findet am 2. Oktober ein Referendum über die Aufnahme von 50 Migranten statt – mit der Empfehlung der Stadtverwaltung, diese abzulehnen. In Versailles und Louveciennes bei Paris kam es darüber hinaus am vergangenen Wochenende zu Demonstrationen gegen die geplante Errichtung von Flüchtlingsheimen.

In Calais freut man sich indes über die Lagerschließung. Bürgermeisterin Natacha Bouchart (Republikaner) stellt darum bereits den begonnenen Bau einer zwei Kilometer langen und vier Meter hohen Schutzmauer an der Hafenzufahrt von Calais in Frage. Doch die Camp-Schließung hat zwei Seiten.  Denn jeder, der über Calais die illegale Einreise nach Großbritannien anstrebt, hat sprachliche oder familiäre Gründe, dies zu tun, und die französische Hafenstadt bleibt weiterhin der zentrale Ort für die Weiterreise gen Norden.