© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/16 / 30. September 2016

Gute und schlechte Gefühle
Energiewirtschaft: Vattenfall darf Tagebaue an EPH verkaufen / Tschechischen Milliardären gehört jetzt das braune Gold der Lausitz
Paul Leonhard

Schweden wird die verschmäte Braunkohle in der sächsisch-brandenburgischen Lausitz los. Die EU-Kommission hat vorige Woche eine Klage wegen unerlaubter staatlicher Beihilfe beim Verkauf der Braunkohleanlagen durch den schwedischen Staatskonzern Vattenfall an die tschechische Energie- und Industrieholding EPH abgewiesen. Geklagt hatte das Energieunternehmen LMMG, dessen mongolisch-deutsche Investoren ebenfalls am Kauf interessiert waren, aber schon vor den Schlußverhandlungen keine Gebote mehr abgeben durften.

Hintergrund ist, daß Vattenfall knapp 1,6 Milliarden Euro für die Pflege und Renaturierung der Tagebaue zahlt. Damit hatten die Kläger angezweifelt, daß es sich wirklich um einen Verkauf handelte. Auch war, obwohl Vattenfall angekündigt hatte, offen und transparent mit dem Verkauf umgehen zu wollen, nie ein Verkaufspreis öffentlich genannt worden. Vattenfall bleibt jetzt erspart, den Kaufvertrag umzuarbeiten oder gar einen neuen Verkaufsprozeß einzuleiten.

Ohnehin hatte der Verkauf der Tagebaue und Kraftwerke in Brandenburg und Sachsen, deren Wert auf 3,4 Milliarden Euro geschätzt wird, an EPH viel Staub aufgewirbelt (JF 48/15). War aus Sicht Schwedens der Verkauf an EPH zwar „strategisch richtig und beste wirtschaftliche Alternative“, so wirft die Umweltschutzorganisation Greenpeace dem Käufer vor, ökologische und soziale Fragen zu vernachlässigen. Auch wird angezweifelt, daß EPH, immerhin der zweitgrößte tschechische Energieversorger, ausreichend Rücklagen bilden kann, um eine spätere Renaturierung der Tagebauflächen finanziell zu bewältigen.

In dem kürzlich von Greenpeace veröffentlichten „Schwarzbuch EPH – Wie ein windiger Investor Politik und Wirtschaft zum Narren hält“ wird den Tschechen vorgeworfen, nur auf Profit aus zu sein. Überdies sei EPH ein „undurchsichtiges Firmengeflecht“ aus Beteiligungsgesellschaften, die als anonyme Offshore-Gesellschaften mit beschränkter Haftung in Steuerparadiesen wie Zypern und Jersey firmieren. Haupteigner ist der Brünner Milliardär Daniel Kretínský. Dieser hatte vor sieben Jahren zusammen mit dem Mitbegründer des slowakischen Finanzinvestors J&T, Patrik Tkác, die EPH-Gruppe gegründet. Mit ins Boot geholt haben sie die PPF-Gruppe eines weiteren Multimilliardärs, ihres Landsmanns Petr Kellner.

Kretínský sei laut Greenpeace dafür bekannt, Firmen aufzukaufen und „finanziell auszupressen“. EPH soll im Jahr 2014 bei einem Umsatz von knapp 3,7 Milliarden Euro einen Gewinn von  fast 1,4 Milliarden Euro (vor Steuern und Abschreibungen) gemacht haben, gleichzeitig aber nach einer Schätzung der Prager Zeitschrift Ekonom über fünf Milliarden Euro Schulden haben.

Mit dem Kauf der Tagebaue und Kraftwerke in der Lausitz hat EPH von Vattenfall Vermögenswerte von 1,6 Milliarden Euro übernommen sowie Schulden und Rückstellungen für Sanierung und Rekultivierung der Kohletagebauen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Einige Kritiker wie Tobias Münchmeyer von Greenpeace in Berlin fürchten, daß im Gegensatz zu dem schwedischen Staatskonzern, der die Kultur in der Region unterstützt hatte, die Tschechen neben Kapital auch Rückstellungen aus der Lausitz für die Sanierungskosten in Mitteldeutschland abzweigen oder sich gar „in ein paar Jahren mit dem Geld einfach davonmachen“ könnten.

Münchmeyer verweist gegenüber der taz dabei auf die intransparente Struktur von EPH, hinter der sich „echte klassische Briefkastenfirmen mit Standort Nikosia, Zypern“ verstecken. Die zu schließen und Insolvenz anzumelden sei kein Problem. Alarmiert ist auch die Umweltorganisation WWF, weil EPH zu geringe Mittel für die Sanierung der enormen Umweltschäden durch den Braunkohletagebau zurückstelle.

Die Situation sei deswegen hoch gefährlich, weil hier ein „skrupelloser Investor auf blauäugige Politik“ treffe, so Greenpeace-Sprecher Karsten Smid im ZDF. Damit nicht letztlich der Steuerzahler eine Zeche in Milliardenhöhe zahle müssen, sei sicherzustellen, daß EPH nicht nur die Klimaschutzziele einhalte, sondern auch Sicherheitsleistungen für die Rückstellungen nachweise, die später die Sanierung der Bergbaufolgelandschaften finanzieren sollen.

Die Landesregierungen von Sachsen und Brandenburg sehen aber keine Gefahr. Sie setzen auf die Verträge, die vorsehen, daß die Tschechen in den ersten drei Jahren keine Gewinne entnehmen dürfen und in den folgenden zwei höchstens die Dividende. Außerdem gibt es eine Arbeitsplatzgarantie für die rund 8.000 Beschäftigten bis Ende 2020. Er sei sich sicher, daß das Unternehmen EPH „alle gesetzlichen Verpflichtungen in diesem Bereich erfüllen“ werde, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Ein „gutes Gefühl“ hat auch Woidkes Parteifreund, Wirtschaftsminister Albrecht Gerber. Dieser erinnerte daran, daß EPH über ihre Tochterfirma JTSD bereits 2011 die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft (Mibrag) in Sachsen-Anhalt und 2013 auch das Helmstedter Revier in Niedersachsen übernommen habe und damit die Situation in Deutschland genau kenne. Überdies werde gesetzlich alle zwei Jahre geprüft, ob die Rückstellungen eines Unternehmens reichten, um die Abbaugebiete zu rekultivieren.

Andererseits dürfte EPH schon deswegen für die Umweltorganisation ein rotes Tuch sein, weil es die Tschechen im Gegensatz zum schwedischen Energiemischkonzern Vattenfall für zu früh halten, allein auf erneuerbare Energien wie Wind, Solar und Biomasse zu setzen. Der Wirtschaftszeitung Hospodárske Noviny sagte Kretínský, daß die Energiepolitik jener europäischen Staaten, die sich von Kohle, Gas und Atom abwenden, nicht durchdacht sei.

Energetický a prumyslový holding (EPH): www.epholding.cz

Neues Greenpeace-„Schwarzbuch EPH“: www.greenpeace.de