© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/16 / 30. September 2016

Umwelt
Alternative Gasgefahr
Jörg Fischer

Daß Elektroautos nur als Drittfahrzeug für reiche professionelle Klimaretter taugen, ist bekannt. Auch das stundenlange Aufladen sorgt dafür, daß nur 0,07 Prozent der 45,1 Millionen Pkw in Deutschland Batteriestromer sind. Doch fast 100.000 Käufer wollten dennoch irgendwie die Großstadtluft schonen, weniger Steuern zahlen und ein praxistaugliches Auto fahren, das in fünf Minuten vollgetankt ist. Seit über 20 Jahren ist eine Alternative im Angebot: „In einem Erdgasfahrzeug sitzt Ihr reines Gewissen immer mit am Steuer. Denn Erdgas verursacht fast keinen Feinstaub und deutlich geringere CO2-Emissionen als herkömmliche Kraftstoffe“, schwärmen die Anbieter von Compressed Natural Gas (CNG).

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Autohersteller, wäre zu ergänzen, denn im malerischen Duderstadt im Eichsfeld explodierte ein VW Touran beim Erdgastanken. Aral & Co. stellten den CNG-Verkauf vorsorglich ein – was nicht nur die CNG-Branche, sondern auch Fiat, Opel oder Mercedes aufscheuchte: vorige Woche wurde die Sperrung der CNG-Tankstellen teilweise aufgehoben. Schließlich seien doch nur 35.000 Caddy, Passat und Touran von dem VW-Rückruf wegen Korrosionsschäden an der Gasanlage betroffen. Die Aral-„Überreaktion“ schade „der Entwicklung eines alternativen Kraftstoffs“, argumentierte die Gaslobby – der schwerverletzte Touran-Fahrer, der seinen Familen-Van noch nicht zum Behälteraustausch in der VW-Werkstatt hatte, sieht das wahrscheinlich weniger grün.

„Was ist, wenn nach Volkswagen auch andere Erdgasautohersteller ins Gerede kommen?

Daß der Lärm- und Schadstoffausstoß bei Gasbetrieb den Motorenentwicklern weniger Kopfzerbrechen bereitet als die Benzin- und Dieseltechnik ist unbestritten. Die Erdgastankstellentechnik ist ausgereift: „Kuppelt tatsächlich einmal ein Kunde den Tankstutzen nach dem Tankvorgang nicht ab und fährt los, reißt der Füllschlauch an einer definierten Stelle ab und minimiert dabei eventuelle Folgeschäden“, verspricht der Lobbyverein „Zukunft Erdgas“. Sollte eine Tanksäule dennoch zerstört werden, „sichern spezielle, räumlich getrennte Strömungswächter ab, daß kein unkontrollierter Gasaustritt stattfindet“.

Aber die Autotanks haben es in sich: CNG besteht überwiegend aus Methan, das unter hohem 200-Bar-Druck steht. Das seit 80 Jahren genutzte Autogas (LPG) ist verflüssigtes Propan und Butan – es kann aber auch ohne Wolfsburger Rost allmählich aus dem Tank entweichen. Da Flüssiggas sich am Boden sammelt, dürfen LPG-Autos nicht in Tiefgaragen parken. Gastanks kosten Platz und erhöhen das Gewicht, Auto und Wartung sind teurer. Gastankstellen werden rarer (etwa 900 CNG- und 6.250 LPG-Stationen), der Preisvorteil ist wie beim Diesel ein rein politischer: Nur die niedrigere Energiebesteuerung macht CNG und LPG finanziell attraktiv. Und was ist, wenn nach VW auch andere CNG-Autohersteller oder gar das Autogas ins Gerede kommen?

Infos über CNG und LPG:  erdgas.info