© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/16 / 07. Oktober 2016

EU und Türkei
Unterwerfungsgesten
Jürgen Liminski

Die rasante Fahrt in eine islamische Diktatur in der Türkei beschleunigt sich – der Wahnsinn der Beschwichtiger in Brüssel auch. Der Ausnahmezustand wird ins nächste Jahr verlängert, Zehntausende Polizisten, Lehrer, Richter, Beamte sind inzwischen entlassen, kritische Journalisten werden gejagt und unter Druck gesetzt, sämtliche kurdischen Sender sind verboten, an die 32.000 Personen sind ohne Urteil inhaftiert. 

Mit anderen Worten: Die Medien werden gleichgeschaltet, die Unabhängigkeit der Justiz wird abgeschafft, Parlament und Regierung stehen unter dem absoluten Joch des neuen Sultans. Welche Beweise braucht es noch, um sich von Erdogans Diktatur zu distanzieren? Statt dessen plädieren die Verantwortlichen in Brüssel für eine Beschleunigung der Beitrittsverhandlungen. Mehr Unterwerfung geht nicht.

Natürlich könnte man sich entspannt zurücklehnen und sagen: Ein Beitritt würde in mehreren Ländern per Referendum verhindert. Das wissen auch die Verantwortlichen in Brüssel. Und gerade deshalb ist diese feige Heuchelei so schädlich. Sie zersetzt die europäische Idee, beschleunigt den Zerfall der EU und schwächt die letzten demokratischen Widerstandskräfte in der Türkei selbst. Vor so viel „Glück“ für den Diktator kann der freiheitsliebende Bürger nur ahnungsvoll mit Schiller sagen: Hier wendet sich der Gast mit Grausen …