© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/16 / 07. Oktober 2016

Edzard Schmidt-Jortzig. Der Bundesminister a. D. setzt sich für die Enteignungsopfer ein
Für Freiheit und Recht
Thomas Fasbender

Er ist ein Liberaler alter Schule; seine eigene Partei, die FDP, muß ihm in den Jahren des Spaßes, des Booms und der Geschichtsvergessenheit wie fremd erschienen sein. Jetzt, im fortgeschrittenen Rentenalter, darf Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesjustizminister von 1996 bis 1998, zusehen, wie die politischen Enkel wieder das Bücken lernen. Der gebürtige Berliner verkörpert schon vom Äußeren her den Typus des distanzierten, abwägenden Norddeutschen, zu dem nichts besser paßt als ein Lehrstuhl an der Christian-Al-brechts-Universität in Kiel. Den hat der Jurist viele Jahre, von 1984 bis zu seiner Emeritierung, innegehabt. Wohlgemerkt den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, den er mit aller Hingabe für das föderale Staatswesen ausgefüllt hat. Daß praktizierte lokale Selbstverwaltung für eine funktionierende Demokratie letztlich entscheidend ist, stand für Schmidt-Jortzig niemals in Frage.

1994 wurde er in den Bundestag gewählt; gut ein Jahr später saß er als Justizminister im fünften Kabinett Kohl. Dem hohen Druck des Amtes begegnete er auf preußisch-protestantische Manier: beständig, belastbar, bescheiden. Die zweijährige Zeit als Minister kennzeichneten Gesetze zum Ehe-, Kindschafts- und Betreuungsrecht.

Besonders eingesetzt hat sich Schmidt-Jortzig für die politisch Verfolgten und Enteigneten in der Sowjetischen Besatzungszone 1945 bis 1949. Stets vertrat er den Standpunkt, daß die Enteignungen, die sogenannte Bodenreform, durch Recht nicht gedeckt waren. Gleichzeitig ließ er aber keinen Zweifel daran, daß der deutsch-deutsche Einigungsvertrag von 1990 die Ergebnisse der Bodenreform rechtsgültig festgeschrieben hat.

Wofür Schmidt-Jortzig sich stark machte, war eine Änderung des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes aus dem Jahr 1994. Die darin vorgesehenen Bedingungen für Rückkäufe durch Alteigentümer oder für Ausgleichszahlungen hielt er für völlig unzureichend. Anders als in der Öffentlichkeit kolportiert, hätte eine Rückgabe der durch die sowjetische Militärregierung enteigneten Flächen auch keineswegs gegen den Einigungsvertrag verstoßen – der schrieb lediglich die Rechtsgültigkeit der Verhältnisse zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung fest. Als Präjudiz für spätere Maßnahmen der „neuen Eigentümerin“ Bundesrepublik Deutschland hält der Vertrag nicht her. Doch weder die Kohl-Regierung noch die anschließenden rot-grünen Kabinette folgten ihm auf das sozialpolitisch dünne Eis. Immerhin schrieb der schwarz-rote Koalitionsvertrag 2009 fest, Opfern politischer Verfolgung und Enteignung die Möglichkeit zum bevorzugten Flächenerwerb zu gewähren.

Die Kieler Lehrtätigkeit hat der vierfache Vater auch während seiner Berliner Zeit nie aufgegeben. Von 2008 bis 2012 amtierte er als Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, seither als Mitglied. Am 8. Oktober wird Edzard Schmidt-Jortzig 75 Jahre alt.